Foto: Wonge Bergmann

Wien - Eine Frau wirft sich in die Arme eines Schafes, um dort, im weichen Gewühl des mannshohen Plüschfells, sich über das eigene Menschsein hinwegzutrösten. Wie ein kleines Kind, das ein Stofftier hält, als Trost für den allmählichen, streng kontrollierten Verzicht auf Unzivilisiertheit.

Derweil aber ein Frosch: Aus purer Eifersucht zieht er dem lieben Schaf eins über. Dann landet dessen Huf im Froschgesicht etc. Dergestalt lockert der flämische Allroundkünstler Jan Fabre in seiner jüngsten Bühnenarbeit Parrots and Guinea Pigs ("Papageie und Meerschweinchen"), mit der er, von Schweden kommend, nach Frankreich weiterziehend, im Wiener Tanzquartier gastierte, die Zwänge des menschlichen Domestiziertseins. Ein altes Thema, das der 45-jährige Bilderwerfer aus Antwerpen ganz originär als konkretes Spiel- und Schautheater inszenierte.

Weil das Tier im Menschen vertrieben wurde, muss er sich eines drüberziehen. Dafür hat Daphne Kitschen flauschige Ganzkörperkostüme entworfen: Maus und Meerschwein, Frosch und Küken. In ihnen gebärden sich die pneumatischen Schauspieler der Troubleyn-Formation Fabres wie ungezügelte Trickfiguren. Ein Hase (eben: Rammler) schwingt kopulierend so sehr, dass ihm die meterlangen Ohren bis in die Kniekehlen schlackern. Fabre feiert Sexualität als letzten animalischen Instinkt, mit Witz und mit traurigen, roten Tieraugen, die auf die im Hintergrund großflächig, aber zum Glück beiläufig projizierten Schlachthausbilder verweisen. Dazwischen die Atempause: If we could talk to the animals, der liebliche Ohrwurm aus dem Musical Dr. Doolittle.

Auf diesem Rückweg vom Domestizierten zum Animalischen oder Kindlichen schälen sich vier Tänzer lustvoll aus ihrer Wäsche, werfen Unterhosen als Lassos, ziehen wie kleine Buben verrückt an ihren Genitalien, spucken in die Hände zum Masturbieren, bis es Krieg gibt mit den Fräulein Rottenmeiers, welche mit Kamm und Schnäuztuch bewaffnet dem FKK-Spiel ein Ende bereiten wollen.

Selten wird im Tanztheater so unterhaltsam aus der Haut gefahren. Jan Fabre wird leichter; und im Vertrauen auf frühere, hoch formalisierte Ar- beiten hat er ein tolles Bestiarium entworfen, das für knapp zwei Stunden ganz locker schwebt. Im Zoo sind die Menschen los, tierisch ernst und tierisch unterhaltsam. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.3.2003)