In der Wiener Theaterszene herrscht gespannte Erwartung. In nächster Zeit stehen zwei wesentliche Weichenstellungen an. Im Volkstheater ist mit der Nachfolge für Langzeitintendantin Emmy Werner auch die Rolle zu überdenken, die das Haus in der Theaterlandschaft spielen soll. Daneben könnte eine Neuordnung der freien Szene, ja vielleicht sogar der gesamten Mittel- und Kleinbühnenlandschaft der Hauptstadt für Belebung sorgen. In beiden Fällen sind es Dreier-Teams, denen dabei eine Schlüsselposition zukommt.
Seit September 1988 leitet Emmy Werner die künstlerischen Geschicke des Volkstheater Wien. Mit der Saison 2005/06 soll eine neue Leitung das Haus übernehmen. De jure ist für die Entscheidung der dreiköpfige Stiftungsvorstand der Volkstheater-Privatstiftung zuständig. Vorsitzender Bernhard Denscher ist der einzige ausgewiesene Experte des Triumvirats - er ist Leiter des Kulturamts der Stadt Wien. Neben ihm sind der Hotelier Peter Kremslehner und der Arbeiterkammer-Steuerexperte Otto Farny im autonom entscheidungsbefugten Vorstand.
Stiftungsvorstand - Kulturpolitik
"Es stimmt, formaljuridisch sind wir zuständig", bestätigt Farny, "aber bei allen Wiener Theatern spielt die Kulturpolitik eine entscheidende Rolle. Vernünftigerweise wird das nur konsensual mit den Subventionsgebern lösbar sein. Und damit meine ich sowohl die Stadt Wien als auch den Bund."
Die Bestimmung des künstlerischen Leiters des Volkstheaters sei "eine Sache der Stiftung", versichert Saskia Schwaiger, die Sprecherin des Wiener Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny (S). "Von unserer Seite ist jetzt kein Handlungsbedarf. Es reicht, wenn wir bis Ende des Jahres wissen, wer die Nachfolge übernimmt." Ebenso teilte die Sprecherin von Kunststaatssekretär Franz Morak (V), Katharina Stourzh, mit: "Der Bund wird die Stiftung ersuchen, das geplante Procedere mitzuteilen."
Wird ausgeschrieben?
Hinter den Kulissen werden Vorgespräche geführt. So hat etwa Stephan Müller, ehemaliger Co-Direktor der Zürcher Neumarkt-Theaters und derzeit Burgtheater-Dramaturg, auf Ersuchen der Stadt bereits konkrete Überlegungen vorgelegt. Darin spielt eine Einbindung des Schweizer Theatermachers Christoph Marthaler keine unwesentliche Rolle.
Doch ob zunächst über eine neue Positionierung für das Volkstheater nachgedacht und erst danach die ideale Person für die Verwirklichung der Vorgaben gesucht wird, ist derzeit noch ebenso wenig bekannt wie die konkrete Vorgangsweise bei der Intendantenfindung. Immerhin hatte der Wiener Kulturstadtrat kurz nach seinem Amtsantritt versprochen: "Ab sofort wird alles ausgeschrieben!" Eine solche Ausschreibung ist beim Volkstheater allerdings noch nicht erfolgt. Und es ist unsicher, ob es dazu kommt. "Die Fühler werden ausgestreckt", sagt Otto Farny, "es ist ein sehr heikles Thema."
Freie Szene
Ob die Neukonzeption der Förderungsstruktur der Wiener Bühnenlandschaft abseits der großen Häuser transparenter ablaufen wird, ist im Augenblick noch ungewiss. In der Szene herrscht jedenfalls Nervosität.
Derzeit arbeitet ein vom Kulturstadtrat im Einvernehmen mit den Kultursprechern der im Gemeinderat vertretenen Parteien beauftragtes dreiköpfiges Expertenteam - Anna Thier von dietheater Wien, der Journalist Uwe Mattheiß und der Dramaturg Günter Lackenbucher - an der Erstellung einer Studie zur Reform der Förderung Freier Gruppen. Am 30. April soll das Ergebnis dem Stadtrat präsentiert werden, und schon jetzt ist sicher: Die Überlegungen der Drei gehen über ihren unmittelbaren Auftrag hinaus. "Man kann die freie Szene sicher nicht isoliert behandeln", heißt es seitens des Teams. Im Übrigen sei man "derzeit mitten in der Arbeit" und wolle daher "nicht Stellung nehmen".
Dreiköpfiges Expertenteam legt Ende April Studie vor
Auch die mit Theatern jeder Größenordnung abgeschlossenen Dreijahresverträge (1998 von Stadtrat Peter Marboe (V) erstmals eingeführt) werden Gegenstand ihrer Überlegungen sein, bestätigt das Trio. In der Szene kursierende Befürchtungen, die Stadt Wien könnte durch Verlängerung der derzeit laufenden Dreijahresverträge die bestehenden Verhältnisse noch rasch einzementieren, versucht Stadtrat-Sprecherin Saskia Schwaiger zu zerstreuen: "Es stimmt, die ganz große Tranche steht jetzt an", meint sie, "doch wir haben keinen Zeitdruck." Erst im Herbst wäre über zahlreiche Verträge zu entscheiden. Konkret dürfte bei allen wesentlichen Mittelbühnen Wiens, vom Schauspielhaus über das Ensembletheater und die Gruppe 80 bis hin zum Odeon oder zur Drachengasse, die in den Dreijahresverträgen vorgesehene Evaluierung anstehen.
Wann und in welcher Form die Studie nach ihrer internen Präsentation auch der Öffentlichkeit vorgestellt wird, steht noch nicht fest. (APA)