Wien - Die Bischöfe Christoph Schönborn, Johann Weber, Georg Eder und Egon Kapellari haben am 27. Februar 1998 folgende Erklärung veröffentlicht: "Wir sind nun zur moralischen Gewissheit gelangt, dass die gegen Alterzbischof Kardinal Hans Hermann Groer erhobenen Vorwürfe im wesentlichen zutreffen. Sein Schweigen haben wir zu ertragen, können aber selbst nicht schweigen, wenn wir unserer Verantwortung für die Kirche gerecht werden sollen.

Wir fühlen uns zu dieser Erklärung besonders verpflichtet, weil ein Schweigen die Seelsorge der Kirche weiterhin durch den lähmenden Generalverdacht belasten würde, der Ruf eines Kardinals sei der Kirche wichtiger als das Wohl junger Menschen. Wir möchten auch den Heiligen Vater vor der bereits öffentlich gemachten Behauptung schützen, er dulde ein solches zweideutiges Verhalten."

Wortlaut Groer

Am 14. April 1998 wurde von der Nuntiatur in Wien folgende Erklärung von Kardinal Groer veröffentlicht: "In den vergangenen drei Jahren hat es zu meiner Person zahlreiche oft unzutreffende Behauptungen gegeben. Ich bitte Gott und die Menschen um Vergebung, wenn ich Schuld auf mich geladen habe.

Selbstverständlich bin ich bereit, einer Bitte des Heiligen Vaters zu entsprechen, meinen bisherigen Wirkungskreis aufzugeben. In einem wünsche ich den Mitgliedern der Österreichischen Bischofskonferenz Gottes Segen für ihren Dienst an der Kirche in unserem Land."

Ad-Limina-Besuch überschattet

Die Causa Groer überschattete im November 1998 auch den letzten Ad-Limina-Besuch der österreichischen Bischöfe im Vatikan. Im so genannten Quinquennalbericht - ein Rechenschaftsbericht der Kirche in Österreich an den Papst - heißt es wörtlich: "Die Katholische Kirche in Österreich sah sich im Berichtszeitraum einem erhöhten Interesse der Massenmedien ausgesetzt.

Ursachen dafür waren vor allem kirchenpolitische Entscheidungen und Konflikte in der Kirche. Das viele Positive, das sich tagaus tagein tausendfach im kirchlichen Leben ereignet, fand hingegen kaum Aufmerksamkeit. Aufsehen erregten vielmehr vor allem die Konflikte im Zusammenhang mit der Emeritierung des Erzbischofs von Wien, Kardinal Dr. Hans Hermann Groer, der des sexuellen Missbrauchs junger Menschen unter Ausnützung von Abhängigkeitsverhältnissen beschuldigt wurde.

Anders als in angelsächsischen Ländern wurde dieser Konflikt höchst ungeschickt behandelt, weil es nicht gelang, ein Zusammenwirken des Beschuldigten, der Bischofskonferenz und der römischen Instanzen zu erreichen. So wuchs beim größeren Teil der Kirchenmitglieder die Unzufriedenheit über die offenbar geringe Fähigkeit der Kirche zu einem tauglichen Krisenmanagement und bei vielen Menschen kam es ganz allgemein zu einer größeren kritischen Distanz gegenüber der Kirche." (APA)