Die Kappe hauen die wenigsten der 4400 uniformierten Wiener Polizeibeamten drauf. Obwohl der Druck mit Kriminalität und Verwaltungsaufgaben steige, sagen viele

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Wien - Martin Freyers Ortskenntnis lässt ihn stutzig werden, als der Notruf kommt. "An der Adresse gibt es nur ein Geschäft, und die sind auf Urlaub" sagt er zu seiner Kollegin, die mit im Streifenwagen "Siegfried 3" sitzt. Unterwegs sind die Wiener Polizisten, weil in einem Geschäft in Döbling eine Frau um Hilfe geschrien haben soll, nachdem das Geräusch von zersplitterndem Glas zu hören gewesen sei.

Als die beiden an der angegeben Adresse stehen, sieht es dort aus wie von Freyer beschrieben. Eine hilfesuchende Frau oder zertrümmerte Fenster sind nicht zu sehen. Freyers Kollegin macht also den Anrufer ausfindig - der eine neue Adresse angibt. Dort ist die Glastür eines türkischen Supermarktes eingeschlagen. Innen stehen eine Frau und ein Mädchen, die eher verblüfft aufsehen, als die Beamten kommen. Was denn passiert sei, will der Polizist wissen. "Meiner Schwägerin ist eine Obstkiste ausgekommen, die auf die Tür gefallen ist", sagt die Frau. "Da war keine Gewalt im Spiel?" "Nein, überhaupt nicht", versichert sie.

Im Bezirk zu Hause

Freyer kennt den 68.000-Einwohnerbezirk im Detail. "Ich bin hier geboren, in die Schule gegangen, die Leute kennen mich von klein auf." Er betreibt auch Verkehrserziehung und Drogenprävention an den Schulen. Seit er 1989 zur Polizei gegangen ist, hätte er Gelegenheit gehabt, zu wechseln. Er wollte nicht. "Ist man einmal bei der Kripo, kommt man in den Bezirk nicht mehr retour."

Freyer ist ein uniformierter Polizist, früher hießen die in Wien Sicherheitswache. In der Zwischenzeit sind mehrere Polizeireformen über die Stadt gefegt, jetzt ist der 41-Jährige ein UEB, ein "uniformierter Exekutivbeamter". "Früher war es schon lässiger, es hat mehr Leute und mehr Zeit gegeben", erinnert er sich an die 90er-Jahre. "Mittlerweile gehen manche Kollegen schon weit über die Grenzen ihrer Belastbarkeit." Auch, weil die Uniformierten im Bewusstsein der Bevölkerung "die Polizei" sind.

Schlüssel und zugelaufene Tiere

Die Folgen sind Kundenkontakte, bei denen die Bürger weggeschickt werden müssten. "Wenn jemand einen Schlüsselbund findet, bringt er ihn zu uns - obwohl eigentlich der Magistrat zuständig ist." Auch zugelaufene Tiere müsste die Tierrettung abholen - erst jüngst hatten sie aber wieder einen Dackel auf der Polizeiinspektion. "Der hat dann zum Glück eh nach Hause gefunden." Natürlich gebe es auch brenzlige Situationen. "Aber ich habe bisher noch nie eine Waffe gebraucht. Nicht einmal den Pfefferspray. Ich habe alles durch Reden bereinigt", rekapituliert Freyer.

Stress bringe der Verwaltungsaufwand. "Früher bin ich mit der Luftgekühlten, der Schreibmaschine, da gesessen und habe eine Anzeige geschrieben und weitergeleitet. Heute muss man die bearbeiten, bis sie bei der Staatsanwaltschaft sind und Statistiken ausfüllen."

Dass das wie auch das Verhalten am Tatort Unmut hervorrufen kann, ist ihm bewusst. "Es gibt durch das Fernsehen eine gewisse Erwartungshaltung, dass bei einem Einbruch sämtliche Spuren gesichert werden und die in einem Computer in Sekundenschnelle abgeglichen werden können." Die Realität sieht anders aus: Im Streifenwagen kann man die Polizeidaten nicht direkt abfragen, alles muss über Funk erledigt werden. Ein Funk, der durchaus Überraschungen bietet. "Meldung über eine zerbrochene Eingangstür in einem Geschäft", tönt es aus dem Lautsprecher. "Das ist der Vorfall in dem türkischen Geschäft, den haben wir euch schon vor einer halben Stunde gemeldet", gibt Freyers Kollegin zurück. "Ja, aber da hat nun wer anderer angerufen." ( Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 13.8.2009)