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Drei Tage in Frieden und Exstase ...

 

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Ermöglicher eines friedvollen Wochenendes: Michael Lang sinniert, hier als Filmheld - verkörpert von Jonathan Groff - in Ang Lees Spielfilm "Taking Woodstock", der am 3. September im Kino anläuft.

 

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Christian Lehner sprach mit Michael Lang in New York.

Standard: Im Film "Woodstock" aus dem Jahr 1970 lautet die erste Frage an Sie: "Was ist das Schlimmste an der Organisation eines Festivals?" Gestellt hat sie ein Reporter von ABC-News. Sie haben damals geantwortet "Politics" . Wie sehen Sie das 40 Jahre später?

Lang: Es ist dieselbe Antwort: Politics! Nach all den Jahren und Festivals, die ich in der Zwischenzeit mitorganisiert habe, hat sich daran nichts geändert. Ich spreche von staatlichen Regulierungen, lokalen Erlässen. All die schönen Dinge, die sich die Autoritäten einfallen lassen. Was viele nicht wissen: Woodstock war auch der Beginn der Einschränkung großer Veranstaltungen. Seither benötigt man in den USA zum Beispiel eine "mass gathering permit" . Die zu bekommen ist nicht leicht. Im Fall von Woodstock war es schwierig, den involvierten Behörden klarzumachen, um was es da überhaupt geht, und sie davon zu überzeugen, dass das eine gute Sache ist.

Standard: Was war denn die gute Sache, von der Sie die Leute überzeugen mussten?

Lang: Na das, was wir schlussendlich getan haben (lacht)! Es ging darum, eine Generation von Kids zusammenzukriegen und sie für einige Zeit in einen Lebenszusammenhang zu bringen, der unserer Vision der Gesellschaft entsprach.

Standard: Waren Sie da nicht schon etwas spät dran? Von der Hippie-Bewegung heißt es immer, dass sie im Sommer' 69 inhaltlich bereits am Ende war.

Lang: Ich würde sagen, sie war auf dem Höhepunkt! Aber es stimmt schon. Die Dinge begannen, aus dem Ruder zu laufen. Es wurde so richtig "weird" und gewalttätig. Das Jahrzehnt war generell eines der sozialen Umbrüche und Unruhen. Wir demonstrierten gegen den Vietnamkrieg oder kämpften für Bürgerrechte. Die ökologische Bewegung nahm ihren Anfang. Die Generation der Babyboomer wurde zunächst auch gar nicht ernst genommen. Wir hatten den Mief und die Verlogenheit der Älteren satt und wollten zeigen, dass es auch anders geht. Wir wollten Rahmenbedingungen für eine friedliches Miteinander schaffen. Woodstock war unser Labor. Wir wollten testen, ob wir überhaupt imstande sind, diesen Traum leben zu können.

Standard: Organisatorisch stießen Sie aber bald auf Grenzen. Die meisten Veranstaltungsorte rund um Woodstock erwiesen sich als untauglich, und man hat Ihnen knapp vier Wochen vor dem Festival eine bereits zugesagte Genehmigung entzogen. Wie sind Sie und ihr Koveranstalter Artie Kornfeld schlussendlich in Bethel gelandet?

Lang: Wir hatten bereits im November '68 einen klasse Ort in Saugerties im Hudson Valley gefunden. Nachdem mit den Finanziers Joel Rosenman und John Robert auch das Geld für die Durchführung aufgestellt war, zeigten sich die Behörden zunächst begeistert. Allerdings haben sie dann Wind von der Hippie-Sache bekommen und wollten uns plötzlich nicht mehr. Anschließend haben wir ein Industriegelände in Wallkill gefunden. Doch plötzlich waren wir auch dort nicht mehr erwünscht. Auf einmal fragten sie uns nach einer "Genehmigung" , von der noch im Mai niemand etwas wissen wollte. Am 14.Juli, fast genau einen Monat vor der geplanten Austragung, standen wir wieder ohne Location da.

Standard: Wie ging es weiter?

Lang: Wir informierten die Medien, dass uns der Veranstaltungsort abhanden gekommen war. Niemand dachte ernsthaft, dass das Festival noch zu retten sein würde. Doch dann kam der Anruf aus Bethel. Jemand wüsste einen Ort und hätte eine Genehmigung. Doch der Platz erwies sich als zu sumpfig. Ich war aber sehr beeindruckt von dem herrlichen Farmland und erkundigte mich, ob uns jemand die Gegend zeigen könnte. Und dann entdeckten wir es, das Feld unserer Träume. Es gehörte Max Yasgur, dem größten Grundbesitzer der Umgebung. Er war durch Ernteausfälle in die Bredoullie geraten und brauchte dringend Geld für Futtermittel. Wir wurden uns schnell handelseinig. Einen Tag nach Verlust der Location hatten wir eine neue.

Standard: Die Zeit wurde allerdings knapp. Was war die größte Herausforderung?

Lang: Das Gelände musste innerhalb von vier Wochen kultiviert werden. Wir hatten ursprünglich dafür vier Monate eingeplant. Natürlich gab es keine Infrastruktur. Wir mussten nicht nur die Bühne aufbauen, sondern auch Elektrizität heranschaffen, ein Abwassersystem und Straßen anlegen. Wir haben innerhalb kürzester Zeit eine temporäre Stadt für 200.000 Bewohner aus dem Boden gestampft.

Standard: Und dennoch reißt die Kritik an den chaotischen Zuständen während des Festivals auch 40 Jahre nach Woodstock nicht ab. Sie gehört mittlerweile zum Mythos wie das "Peace & Love" -Klischee.

Lang: Das Festival war gut organisiert - für 200.000 Menschen. Gekommen sind aber 500.000, und noch einmal so viele blieben im Verkehr stecken. Trotz Medienhypes, niemand, wirklich niemand konnte mit so einer Menschenmenge rechnen. So etwas hat es vorher noch nicht gegeben. Nachher im Übrigen auch nicht. Eine Festivalindustrie mit Erfahrungswerten gab es ja noch gar nicht. Wir konnten auf keine Notfallpläne oder Präzendenzfälle zurückgreifen. Ich denke, es spricht für die Organisation und den Spirit aller Beteiligten, dass wir trotz der Widrigkeiten ein tolles, friedliches Wochenende mit großartiger Musik erlebt haben.

Standard: Anders als einige Monate später beim Altamont Festival der Rolling Stones, bei dem ein Afroamerikaner erstochen wurde und das heute als offizielles Ende des Hippie-Traumes gilt.

Lang: Altamont war die Antithese zu Woodstock. Es wurde aus den falschen Gründen mit den falschen Leuten organisiert. Ich meine, wer engagiert schon die Hells Angels, die sich damals anschickten, den LSD-Handel zu übernehmen, als Security?

Standard: Aber gerade die Gegenkultur der 60er hofierte die Hells Angels jahrelang ...

Lang: Trotzdem grenzte es an Wahnsinn, diese Typen als Festival-Ordner anzuheuern. Wenn sie nur zur Party gekommen wären, fein. Der schreckliche Ausgang dieses wirklich schlecht organisierten Festivals spricht für sich.

Standard: Haben Sie sich eigentlich je als Hippie gefühlt? Und würden Sie sich noch heute so bezeichnen? Die Länge der Haare stimmt jedenfalls noch immer.

Lang: Ich habe mich nie als irgendetwas bezeichnet. Ich war Teil der Gegenkultur der 60er-Jahre. Schon vor Woodstock bin ich nach Coconut Grove in Miami gezogen, habe dort eine Underground-Zeitschrift herausgegeben, mich politisch betätigt und einen Headshop betrieben. Ich war also immer schon ein Alternativer und Geschäftsmann. Das ist im Wesentlichen bis heute so geblieben.

Standard: Wo werden Sie das Jubiläumswochenende verbringen?

Lang: Hoffentlich zu Hause.

Standard: Sie werden nicht das "Heroes Of Woodstock" in Bethel Woods mit Richie Havens und dem, was von Canned Heat übrig geblieben ist, besuchen?

Lang: Nein, ich bin in gut 45 Jubiläumsprojekte involviert. Das genügt mir vollkommen. Es handelt sich dabei um landesweite Events in Zusammenarbeit mit der "School Of Rock". Kinder performen die Songs von Woodstock. Ich bezeichne diese Gigs als "Kidzstock" und lausche lieber den Hoffnungsträgern des Rock als den Jubilaren.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.8.2009)