Bild nicht mehr verfügbar.

Besatzung der Arctic Sea wird zum Verhör gebracht

Foto: APA/OMAR CAMILO

Moskau - Vier Tage nach der Befreiung des lange verschollen geglaubten Frachters "Arctic Sea" hat Russlands Luftwaffe die acht mutmaßlichen Piraten sowie die meisten Seeleute nach Moskau geflogen. Der Kapitän der "Arctic Sea" sowie drei weitere Seeleute hielten allerdings weiter Wache auf dem angeblich mit Holz beladenen Frachter. Die "Arctic Sea" liegt noch vor der westafrikanischen Küste des Inselstaats Kap Verde. Dort war das Schiff am Montag nach offiziellen Angaben aus der Gewalt von Piraten befreit worden. Militärexperten meinen nun, dass Waffen an Bord gewesen sein könnten.

Familien der Seeleute in Sorge

Das russische Staatsfernsehen zeigte, wie die mutmaßlichen Seeräuber aus Lettland, Estland und Russland aus dem Flugzeug über das Rollfeld von Unformierten abgeführt wurden. Am Mittwochabend hatten die russischen Behörden auch erstmals Bilder von der befreiten Besatzung veröffentlicht. Die Männer wirkten gesundheitlich wohlauf. Die russische Seefahrergewerkschaft hatte in einem offenen Brief an die Führung in Moskau appelliert, endlich den Kontakt zwischen den befreiten Seeleuten und ihren Angehörigen herzustellen.

Waffenschmuggel

Militärexperten vermuten nun, dass die "Arctic Sea" auch Waffen geschmuggelt haben könnte. Russische und ukrainische Zeitungen schrieben, dass es sich um Marschflugkörper handeln könnte. So seien mit Atomsprengköpfen bestückbare Raketen vom Typ X-55, die aus Sowjetzeiten stammten, bereits in der Vergangenheit in den Iran geschmuggelt worden, berichtete die Moskauer Zeitung "Nowyje Iswestija" (Donnerstag). Die Ukraine hatte 2005 den Schmuggel von Raketen dieses Typs an den Iran und China eingeräumt. Die Raketen können von dem Jagdbomber Suchoi SU-24 abgefeuert werden, die Flugzeuge sowjetischer Bauart gelten als Rückgrat der iranischen Luftwaffe.

Raketen für Algerien und den Iran

Die ukrainische Internetzeitung "Obosrewatel" ("Beobachter") berichtete ohne Angabe von Quellen, dass vier X-55-Raketen bei einer Reparatur der "Arctic Sea" in der russischen Ostseeregion Kaliningrad um die frühere Stadt Königsberg an Bord gebracht worden seien. Allerdings hätten sich in den Kisten keine atomaren Sprengköpfe befunden. Die Autoren des Artikels gehen davon aus, dass Geheimdienste mehrerer Länder in den Fall verwickelt sind. Die "Arctic Sea" habe die Raketen an Islamisten in Algerien übergeben wollen, die wiederum über ihre Kanäle eine Lieferung der X-55 an den Iran geplant hätten.

Besatzung wird verhört

Alle Besatzungsmitglieder würden erst freigelassen, wenn klar sei, dass sie nicht mit dem Überfall auf die "Arctic Sea" Ende Juli in Verbindung stehen, meldete die Agentur Interfax unter Berufung auf Ermittlerkreise. Nach Medienberichten werden sowohl die mutmaßlichen Seeräuber als auch die befreiten Seeleute weiter vom russischen Geheimdienst verhört. Russlands NATO-Botschafter Dmitri Rogosin betonte am Mittwochabend angesichts internationaler Spekulationen um möglichen Waffenschmuggel auf der "Arctic Sea", es handle sich bei dem Fall vielmehr um eine neue Dimension internationaler Piraterie.

Organisierte und finanzierte Piraterie

Alle Länder müssten aus der Geschichte um die von Seeräubern entführte "Arctic Sea" ihre Lehren ziehen, damit sich eine solche Kaperung in der Ostsee nicht wiederholen könne, so Rogosin. Nach offizieller russischer Darstellung hatten Piraten den Frachter bereits am 24. Juli vor der schwedischen Küste in ihre Gewalt gebracht. Rogosin sagte, der Überfall sei das jüngste Beispiel für die bestens organisierte und finanzierte Piraterie. Diesem neuen "internationalen Übel" solle sich auch der NATO-Russland-Rat annehmen, betonte der Diplomat.(APA)