Der Doppelgipfel des Elbrus, vom Camp Garabachi (3750 m) aus gesehen. Bergsteigern bieten hier Wohntonnen Unterschlupf auf ihrem Weg zum höchsten Gipfel Europas.

Foto: Riedl/Koblmüller

Salzburg/Naltschik - Genau genommen könnte das Weltmuseum der Berge längst seine Pforten geöffnet haben. Es sollte in der steirischen Ramsau am Fuß des Dachsteins etabliert werden. Aber trotz großen Zuspruchs vonseiten lokaler Touristiker und trotz internationaler Unterstützung bis hin zu einer Unesco-Resolution im Jahr 2001 ist dann nichts daraus geworden: Die damalige "Rechtsregierung" habe das Vorhaben nicht unterstützt, erzählt Herbert Arlt im STANDARD-Gespräch. Der wissenschaftliche Direktor des in Wien beheimateten internationalen Wissenschafternetzwerkes INST, an dem sich rund 10.000 Experten aus 100 Ländern beteiligen, war und ist einer der Motoren des Weltmuseums der Berge.

Jetzt haben Kulturwissenschafter Arlt und das INST den zweiten Anlauf unternommen. Im Juli dieses Jahres hat Arlt einen Vertrag mit der Universität in der Hauptstadt der russischen Teilrepublik Kabardino-Balkarien, Naltschik, geschlossen. Inhalt des Abkommens: Bis zur Winterolympiade 2014 wird in der kleinen Kaukasusrepublik das Weltmuseum der Berge realisiert. Kostenrahmen: zehn Millionen Euro. Die finanzielle Verantwortung trägt allein die Universität in Naltschik.

Das Museum soll am Fuß des mit 5642 Metern höchsten Berges Europas, dem Elbrus, entstehen. "Der Standort am Fuß des Elbrus ist eine gelungene Symbolik für eine neue Sicht Europas", meint Arlt in Anspielung darauf, dass der französisch/italienische Mont Blanc (4808 m) lange als höchster Punkt Europas angesehen worden war.

Neben der Symbolik gibt es freilich auch handfeste wirtschaftliche Interessen vonseiten der russischen Teilrepublik: In der Elbrus-Region werden viele Bewerbe der Olympischen Winterspiele von Sotschi 2014 ausgetragen werden. Das Museum soll zur Olympiade eröffnet werden.

Von den russischen Partnern - mit dem Germanisten Raschid Alikajew an der Spitze - werde das Vorhaben als strategische Zukunftsinvestition betrachtet, so Arlt. Immerhin sollen jährlich 100.000 Besucher aus Europa und dem arabischen Raum kommen. Damit könnte eine Milliarde Euro jährlich in die Region fließen. Als Vorbild gilt der Kilimandscharo. Durch den Fremdenverkehr rund um den höchsten Berg Afrikas finden etwa 60.000 Menschen Arbeit. Wissenschafter Arlt ist diese Sicht nur recht. Der Kulturtourismus könne dazu dienen, "Frieden zu schaffen." Letztlich soll die gesamte Region einbezogen werden.

Inhaltlich soll sich das Joint-Venture-Museum mit der "gesamten kulturellen Dimension der Berge" befassen. Neben dem Alpinismus im engeren Sinn des Wortes oder höhenmedizinischen Themen soll vor allem die Bergwelt als kultureller Lebensraum im Mittelpunkt der Ausstellung stehen.

Alltagsgegenstände (Bekleidung, Schuhe, Werkzeug) sowie Essen und Trinken stehen ebenso am Programm wie die Berge in der Literatur oder der Bildenden Kunst. Darin enthalten die philosophischen Anschauungen zum Thema: So galten die Berge einst als "Warzen der Erde". Erst im Zuge der Aufklärung sind sie Teil der Schönheit der Welt geworden. Im Museum sollen Bildschirme als "Fenster zur Welt" fungieren. Zur realen Ebene in Russland kommt noch eine virtuelle. Über das INST wird ein weltweites Forschungsnetzwerk aufgebaut. Damit werden auch die Projektseite, die Verbreitung von Filmen über ein eigenes Internetfernsehen, eine Buchreihe sowie Konferenzen organisiert. (Thomas Neuhold/DER STANDARD, Printausgabe, 27. 8. 2009)

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Selbst der Olymp ist nur "der Berg"

Das sprachliche Bild von Gipfeln und Gebirgen ist weltweit weitgehend ident

Salzburg - Es gehört für viele Wanderer und Bergsteiger zum Gipfelritual: Ein prüfender Blick in die Ferne, und dann kommt das Benennen der Gipfel ringsherum. Es seien freilich erst die Städter gewesen, "die aus Sehnsucht nach der wilden Natur oder aus sportlichen Motiven im Gebirge auftauchten", die den Erhebungen "aus ihrer urbanen Vorstellungswelt von Straßen, Gassen, Toren und Plätzen" heraus Namen gaben, hält dazu der Salzburger Sprachforscher Otto Kronsteiner fest.

Viele Namen seien nur "kartografisch lebendig". Sie stünden auf Wegweisern und Tourismusplakaten, den Einheimischen seien sie oft fremd, so der emeritierte Slawistik-Professor Kronsteiner in einem Beitrag zum "Weltprojekt Berge" des in Wien angesiedelten transnationalen Kulturwissenschafter-Netzwerkes INST. Fragen nach der Bedeutung der Bergwelt für Sprache, Literatur und Kultur sind wesentlicher Bestandteil dieses Forschungsprojektes, in dessen Rahmen 2014 im Kaukasus das "Weltmuseum der Berge" eröffnet werden soll.

Kronsteiner geht - anders als viele akademische Etymologen - von einer international weitgehend identen Namensgebung aus. Am auffälligsten sei das Raumgefühl: "Ein Berg übernimmt die Funktion der Ordnung, nach ihm wird die Welt eingeteilt." So würden einzelne die Landschaft dominierende Gipfel - der Kilimandscharo in Afrika, der Olymp in Griechenland, der Ätna in Sizilien - in der Sprache der Menschen in der Umgebung schlicht nur "der Berg" genannt. Die Sizilianer beispielsweise bezeichneten den kartografischen Ätna einfach als "il mont".

Das so geprägte Raumgefühl fließe dann in die Familien- und Hofnamen ein. Hierzulande: Unterberger, Hinterberger oder Vorderberger. Diese Ordnung erzeuge auch Richtung: Aus den Salzburger Bergen fährt man im Dialekt nach Wien hinunter ("owi") und nicht einfach nur "nach Wien".

Wer Namen von Gebirgen erklären will, müsse die Sehweise der Bewohner übernehmen, so Kronsteiner. Ein Beispiel ist für den Sprachwissenschafter der Bezug zum Wetter (Donnerkogel) oder die Lage im Tagesablauf: der Zehner-, Elfer-, Zwölferspitz; im Romanischen die Aiguille du Midi und der Pic du Midi; slowenisch der Poludnik und der Zadnik.

Die weißen Schneeberge 

Deutlich wird die internationale Namensgleichheit beim Blick von "unten" auf die meist schneebedeckten hohen Berge. Kronsteiner meint, dass sich die Alpen vom lateinischen "albus" für "weiß" ableiten. Dem entspreche der Mont Blanc, der Monte Bianco oder die Sierra Nevada. In der Türkei Kar Dag oder Ak Dag und in China der Tien Schan, "die in den Himmel ragenden Schneeberge". (neu/DER STANDARD, Printausgabe, 27. 8. 2009)