Chisinau - 70 Jahre nach dem Hitler-Stalin-Pakt, der unter anderem auch die Abtrennung Bessarabiens von Rumänien und die Gründung der Sowjetrepublik Moldawien zur Folge hatte, hat das moldawische Parlament einen Politiker zu seinem Vorsitzenden gewählt, der offen den Anschluss des Landes an Rumänien anstrebt. Bei der Abstimmung am Freitag in Chisinau erhielt der Chef der Liberalen Partei, Mihai Ghimpu, die Stimmen der 53 anwesenden Abgeordneten der "Allianz für eine europäische Integration". Die 48 Kommunisten als stärkste Einzelfraktion verließen den Sitzungssaal unter Protest und bezeichneten Ghimpus Wahl als unrechtmäßig.
Ghimpu nannte seine Wahl einen "wichtigen Schritt auf dem Weg einer demokratischen Entwicklung". Die "Entkommunisierung" des Landes bleibe eine schwierige Zukunftsaufgabe. Ein Machtwechsel ist allerdings nur möglich, wenn im Parlament auch die nötige Mehrheit von mindestens 61 der 101 Abgeordnetenstimmen für die Wahl eines neuen Staatspräsidenten zusammenkommt. Für die Präsidentenwahl fehlen der antikommunistischen Vier-Parteien-Koalition acht Stimmen, die von den Kommunisten kommen müssten.
Dritte Wahl in diesem Jahr droht
Der von den Kommunisten zur Demokratischen Partei übergewechselte Ex-Parlamentspräsident Marian Lupu hofft als Präsidentschaftskandidat auf die Unterstützung seiner früheren Genossen. Scheitert dies, müsste Europas ärmstes Land zum dritten Mal seit Jahresbeginn ein neues Parlament wählen.
Die Parlamentswahl im April hatte Moldawien (Moldova bzw. Republik Moldau) nach blutigen Protesten gegen den Wahlsieg der Kommunisten in eine tiefe Krise gestürzt. Im Verlauf der schweren Unruhen waren Rufe nach einem Anschluss des Landes an Rumänien laut geworden. Die Regierung in Chisinau hatte Rumänien eine Verwicklung in die Krawalle mit großrumänischen Tönen vorgeworfen und den rumänischen Botschafter zur unerwünschten Person erklärt.
Hunderttausende Anträge auf rumänische Staatsbürgerschaft
Der Großteil des moldawischen Territoriums hatte zwischen den beiden Weltkriegen zu Rumänien gehört. Die Ex-Sowjetrepublik entstand auf Teilen Bessarabiens, das 1940 durch das Ribbentrop-Molotow-Abkommen von Rumänien abgetrennt und der Sowjetunion zugeschlagen worden war. In den vergangenen Monaten haben Hunderttausende Bürger Moldawiens die rumänische Staatsbürgerschaft beantragt, um visafrei in die Europäische Union einreisen zu können. Russlands Präsident Dmitri Medwedew hatte Rumänien indirekt beschuldigt, die "Identität und Souveränität" der benachbarten ehemaligen Sowjetrepublik zu untergraben. (APA)