Gelb-bräunlich plaque-verschmutztes künstliches Gebiss im Glas, mit einmontierten blutsaugenden Vampirzähnen. Unter diesem Ekel erregenden Coverfoto wird ein neues Feindbild geschaffen: "Die graue Gefahr".* Ohne Fragezeichen. "Alt, aber gierig. Eine maßlose Kaste von Frühpensionisten und Langzeitrentnern bricht am Höhepunkt der Wirtschaftskrise den Generationenvertrag und stiehlt der Jugend die Zukunft. Die Politik kapituliert vor der Macht der Alten."

Abstoßend sonnengegrillte Oldies, mit Goldketterl auf faltiger Haut und lächerlichem Pudel, am Swimmingpool einer Villa: "Pensionistenherrschaft. Wenn fantasierte wohlerworbene Rechte trotz Krise verteidigt werden, bekommt die Gerontokratie kleptokratische Züge." Was, wenn nicht das, ist "ageist", gehässig, ruchlos altenfeindlich, Aufruf zum Generationenkrieg?

Wenn so ein Aufmacher, hetzerisch gegen die Alten in schlimmem "Stürmer"-Stil, in einem angeblich liberalen Magazin (wo eine Autorin bereits gegen das "Feindbild Oma" schreiben musste) erscheinen kann, ohne dass ein Sturm der Entrüstung in der Zivilgesellschaft losbricht, dann wissen wir um die stille Akzeptanz von ageism.

Gerade hatte ich zwei Artikel über Altersdiskriminierung als den einzig "erlaubten" Alltagsrassismus veröffentlicht**. Wie zur Illustration der Thesen schämte sich ein profilierungsbedürftiges Wochenblatt nicht, einen - an sich richtigen und gut recherchierten - Titelbeitrag über Pensionsungleichgewichte so verhetzend aufzumachen. Kurioserweise unter Verantwortung genau desselben, altbacken sozialistischen Chefredakteurs, der sich noch zwei Jahre zuvor bemüßigt gefühlt hatte, in einem ebenfalls hetzerischen Rundumschlag "die Pensionisten vor den Pensionsexperten zu schützen ." Daraus sieht man, wie gefährlich in Krisenzeiten das Zeitgeist-Pendel vom Extrem ahnungslos schwülstigen Sozialkitsch ins andere Extrem grundsätzlich richtiger Diagnose, aber feindseliger Vorurteile kippt.

Nur endlich einfach nur ruhig, sachlich und kundig über Pensionsfragen reden geht offenbar nicht. Immer müssen Ängste und Ressentiments hochgekitzelt, irgendein Feindbild bedient werden. Entweder das des "merkwürdigen Haufens" untoter "Wiedergänger" von "Pensionsexperten", ein "Chor der akademischen Jammersusen", "Herren mit der kalten Schnauze", "Experten" die "nicht das Herz am rechten Fleck" haben, "uns glaubhaft machen wollen, das neuntreichste Land könne sich keine menschenwürdige Versorgung seiner Alten leisten" und deren Vorschläge zur "tendenziellen Verarmung breiter Bevölkerungsschichten führen". ***

Dies sei "ein Anschlag auf die Lebensqualität von Menschen, die es ohnehin nicht leicht hatten. Keine andere Berufs- und Bevölkerungsgruppe hätte eine solche Politik so lange hingenommen wie diese Generation von Duldern", halluzinierte der Herr Chefredakteur im Spätherbst 2007. Er überspielte peinlichen Pensionsanalphabetismus durch leidenschaftliches Moralisieren: "Der Versuch, Alte gegen Junge auszuspielen ist in seiner Ruchlosigkeit deshalb besonders empörend." Ja, wie wahr, Herbert Lackner, Dein Rücktritt - oder Deine öffentliche Entschuldigung - bitte! (Bernd Marin/DER STANDARD, Printausgabe, 1.9.2009)


* profil 24.8.2009, Die graue Gefahr
** "Alte Weiber, alte Säcke" Kleine Zeitung 25.7. und „Die Alten", nichts als Alte, Kleine Zeitung, 1.8.2009
*** profil 19.11.2007, Mission Extrawurst