Peking/Taipeh - Die Volksrepublik China hat aus Protest gegen den Taiwan-Besuch des Dalai Lama mehrere geplant gewesene bilaterale Treffen abgesagt, die eigentlich die verbesserten Beziehungen zwischen dem Festland und der Insel verdeutlichen sollten. Es ist die erste größere Krise im Verhältnis zwischen Peking und Taipeh seit dem Amtsantritt des taiwanesischen Präsidenten Ma Ying-jeou vor 15 Monaten. Die regierende Nationale Volkspartei (Kuomintang/KMT) schickte einen Gesandten nach Peking, der die Haltung der Regierung erläutern sollte, wie der stellvertretende KMT-Generalsekretär Chang Rong-kung in Taipeh erklärte.

Aus Protest hat Peking Besuche von Wirtschafts- oder Finanzvertretern abgesagt oder herabgestuft. Auch über die historische Aufnahme von regulären Linienflügen zwischen beiden Seiten am Montag wurde entgegen früherer Praxis in Chinas Staatsmedien nur zurückhaltend berichtet.

Das tibetische Exil-Oberhaupt ist Gast der oppositionellen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP), die für die Eigenständigkeit der Insel eintritt, während die KMT die staatsrechtliche Zugehörigkeit zu China verficht. Die Kuomintang wurde von dem Arzt Sun Yat-sen ins Leben gerufen, der 1912 nach dem Sturz des Kaisertums die chinesische Republik begründete. Bis zu ihrer Niederlage im Bürgerkrieg gegen die Kommunisten vor sechzig Jahren hatte die Kuomintang ganz China autoritär regiert; nach dem Sieg der Kommunisten 1949 zog sich die Nationalregierung von Diktator Tschiang Kai-schek auf die Insel zurück. Die Nationalisten betrachteten sich weiter als legale Regierung der Republik China, während in Peking die Volksrepublik China errichtet wurde. Bis 1971 hatte die nationalchinesische Regierung den UNO-Sitz Chinas inne.

Der Dalai Lama ist am Dienstag mit der taiwanesischen Unabhängigkeitsbefürworterin und Oppositionsführerin Tsai Ing-wen zusammengetroffen. Anschließend betete er mit rund 15.000 Menschen im Stadion der südtaiwanesischen Stadt Kaohsiung für die Opfer des Taifuns "Morakot". Um den Schaden für die Beziehungen zwischen Taipeh und Peking möglichst gering zu halten, wurde eine zweite buddhistische Gebetszeremonie für Taifunopfer am Donnerstag in Nordtaiwan abgesagt.(APA/AP)