Produzent Thomas Kufus.

Foto: Arte/Zero One

Fensterputzer, Abschleppwagenfahrer, Tellerwäscher ...

Foto: Arte/Zero One

... ... Drag-Queen, Schülerin, mobile Pflegerin ...

Foto: Arte/Zero One

... Hausläufer, Pianist, Bürgermeister, Korrespondent, Schrebergärtner: Alltag in Berlin, 24 Stunden auf Arte.

Foto: Arte/Zero One

STANDARD: 80 Teams filmten 24 Stunden: Das ergibt theoretisch 1920 Stunden Material. Wie viel war es wirklich?

Kufus: Wir hatten insgesamt 750 Stunden. Wir begannen mit dem Schnitt im Oktober letzten Jahres mit einem eigenen Konzept: Erst suchte ein Cutter die besten Stücke. Der nächste zerlegte sie in gute Geschichten, schließlich kam der Feinschnitt.

STANDARD: Welche Phase war die forderndste?

Kufus: Einmal die Finanzierung und Organisation. Als Produzent war das vor allem meine Baustelle. Dann das Casting - wen wir 24 Stunden begleiten. Es dauerte fast ein Jahr, bis wir die richtigen Leute hatten. Und natürlich der Schnitt.

STANDARD: War es schwer, Geld aufzutreiben?

Kufus: Es gibt bei uns viele kleine Regionalsender, wie den Rundfunk Berlin Brandenburg, der relativ schnell großes Interesse an dem Projekt hatte. Allein konnten die das aber nicht stemmen, und so fragte ich Arte. Das reichte immer noch nicht, wir mussten Fonds und Förderungen anbaggern. Die Finanzierungsarbeit dauerte fast zwei Jahre. Wir starteten, ohne das ganze Projekt unter Dach und Fach zu haben und mussten nachfinanzieren. Den ORF haben wir nie gefragt. Ich ging stets davon aus, dass kein Interesse besteht. Die Niederlande und Finnland sind dabei.

STANDARD: Wie kam es dazu?

Kufus: Der finnische Sender WLA hat ein Herz für dokumentarisches Fernsehen. Als ich vor zwei Jahren bei einem Filmfestival gefragt habe, sagten sie sofort zu. 

STANDARD: Gibt Berlin genug her für 24 Stunden? 

Kufus: Es geht uns gar nicht so sehr um Berlin. Man könnte das genauso in Wien, Schanghai oder Rio machen. Wir wollten das Leben einer Metropole in seiner Vielschichtigkeit zeigen, ein Dokument schaffen von diesem unglaublichen Räderwerk.

STANDARD: Wollten alle Protagonisten sich gleich gern begleiten lassen?

Kufus: Wir hatten Schwierigkeiten, den großbürgerlichen Typus zu finden, die waren misstrauisch, wobei wir dann auch mit sehr wichtigen Multiplikatoren wie Bild-Chefredakteur Kai Diekmann den ganzen Tag machen konnten.

STANDARD: Die Regisseure durften sich ihre Protagonisten nicht selbst aussuchen?

Kufus: Sie bekamen Vorschläge von uns. Wir wussten natürlich um Vorlieben. Mit 30 von den 80 hatten wir vorher schon Verbindungen. Nicht alle waren mit den Themen einverstanden. Darauf sind wir, so weit es ging, eingegangen. Am Ende waren alle mit ihren Sujets recht zufrieden. Einige kamen von sich aus mit Themen. Romuald Karmakar hatte einen DJ am Haken. Volker Koepp drehte in einer Bäckerei. Rosa von Praunheim schlug den Nachtclub von sich aus vor.

STANDARD: Aber sie durften nur drehen, nicht schneiden. Gab es keine Widerrede?

Kufus: Das verwunderte vor allem die französischen Kollegen, dort ist das undenkbar. Es gab Diskussionen, am Ende hatten die Regisseure Vertrauen, dass wir behutsam umgehen. Alle verstanden, dass es in dem Fall nicht anders geht.

STANDARD: Hat sich Ihr Bild von Berlin geändert?

Kufus: Wir waren überrascht, zu sehen, wie arm Berlin ist. Jedes dritte oder vierte Kind hat einen Hartz-IV-Hintergrund. Berlin ist zudem 100-prozentig eine Einwanderungsstadt. Es gibt viele alte Leute, wir haben relativ wenig bürgerliche Mitte, und Frauen werden in Führungspositionen wichtiger. (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 5./6..9.2009)