Flip, Huckey und Laima (v. li.) im niederösterreichischen Niemandsland beim ORF-Seriendreh.

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Gehen mit der Kaste der Berufspolitiker hart ins Gericht: die oberösterreichischen Musiker Texta.

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Landespolitiker, die sich gegen die Bundesregierung aufplustern? Huckey: "Die machen das natürlich nur für die Leute. Damit die sagen: Die sind bei uns, die lassen sich da nicht am Schädel scheißen vom Wasserkopf in Wien und von der Bundesregierung."

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Laima: "Es gibt so viele Leute, die irgendwo in ihrem kleinen Dorf sind. Und da funktioniert das mit den 'Großkopferten'. Das ist ein automatischer Schutzschild..."

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"... ja und ein völliger Anachronismus, dass wir uns neun Landesregierungen leisten und neun Landesschulverwaltungen und was weiß ich alles. Ich meine, Österreich hat acht Millionen Einwohner, Bayern hat 13 Millionen. Dieses Landeskaiser-Syndrom ist massiv." (Flip)

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Dass der Oberösterreicher "ökologisch angehaucht" und gern in der Natur ist, habe nichts mit der Beteiligung der Grünen an der Landesregierung zu tun. "Die Grünen haben sich fressen lassen", ist die Ansicht von Texta. Warum sich vor der Landtagswahl in Oberösterreich am 27. September die SPÖ vor dem "rechtskonservativen Zusammenschluss" fürchtet und Landeshauptmann Pühringer gern "ins Land einischaut" sagen drei der fünf Texta-Mitglieder zu Lukas Kapeller und Marijana Miljkovic. Die trafen Philipp "Flip" Kroll, Harald "Huckey" Renner und Klaus "Laima" Laimer in der niederösterreichischen Pampa, wo Roland Düringer mit der Linzer Hip-Hop-Formation eine Folge seiner neuen ORF-Serie ("Der wilde Gärtner") drehte.

derStandard.at: Müsste man den typischen politischen Oberösterreicher finden, was wäre das für eine Figur?

Flip: Der durchschnittliche Oberösterreicher ist traditionell reaktionär, ein bissl katholisch, ist froh, wenn sich nicht allzu viel verändert, hat keinen architektonischen Geschmack. Er gefällt sich beim "ins Land einischaun" – da braucht man sich nur das Pühringer-Plakat anschauen.

Huckey: Das ist bis jetzt alles negativ, Flip.

Flip: Naja, kommt darauf an! Er ist zufrieden, wenn die "Oberösterreichischen Nachrichten" oder die "Krone" vor der Haustür liegen. Arbeitsam ist der Oberösterreicher sicher, erfolgsorientiert. Wir haben die stärkste Wirtschaft.

derStandard.at: Also wirklich das Vorzeigebundesland, als das Landeshauptmann Pühringer es gerne darstellt?

Flip: Mit Sicherheit. Wir sind sicher auch ökologisch angehaucht, der Oberösterreicher ist auch gern in der Natur, geht gern wandern.

derStandard.at: Erklärt das auch die grüne Regierungsbeteiligung in Oberösterreich?

Flip: Das hat mehr mit der Identität zu tun: Man mag eine grüne Landschaft und will sie nicht kaputtmachen. Man zersiedelt sie gern, aber ...

Huckey: ... da boscht Linz schon rein, mit der Voest...

Flip: ... aber man schätzt das Ländliche. Sonst würden nicht jährlich tausende Linzer aufs Land ziehen.

derStandard.at: Glaubt ihr, dass Schwarz-Grün auf Bundesebene gut für Österreich wäre?

Flip: Nein, ich glaube, der Oberösterreicher hat Schwarz-Grün gar nicht registriert. Das ist Schwarz mit ein paar grünen Fahnderln links und rechts. Wenn ich mir den Fall Zogaj anschaue, hätte man sich von den Grünen erwarten können, dass da irgendwas passiert. Da hat man aber brav mitgekappelt.

Huckey: Ich weiß schon, dass auch bei den Grünen ein konservatives Herzchen schlummert. Deswegen hat die Koalition auch zustande kommen können. Ich wundere mich aber darüber, dass der verbliebene Rest, der doch größer ist als dieses konservative Klüngel, nicht aufgeschrien, sich gespalten oder gesplittet oder allen in die Pappn gehaut hat.

Flip: Die Grünen sind nette Menschen, aber einen Drive haben die nicht. Wind ist höchstens durch die Windradeln gelaufen, aber nicht durch die Grünen. Die haben sich ordentlich fressen lassen.

derStandard.at: Hat Schwarz-Grün ein Ablaufdatum?

Huckey: Ich fürchte mich vor drei Sachen: dass Schwarz-Blau, Rot-Blau oder nochmal Schwarz-Grün zustande kommen könnte.

Flip: Prognostisch legen die Blauen sicher zu. Oberösterreich ist traditionell ein relativ blaues Bundesland mit Ried usw. Die haben hier Potenzial. Sie werden sicher zweistellig werden, das waren sie ja letztes Mal nicht. Die Grünen werden zwischen fünf und acht Prozent abkassieren, die Frage ist nur, ob Schwarz groß verliert und die SPÖ dazu gewinnt.

Huckey: Die SPÖ lebt momentan in totaler Furcht, in Angst und Schrecken. Die fürchten sich vor dem rechtskonservativen Zusammenschluss.

Flip: Ich glaube nicht, dass es den blauen Erdrutsch geben wird. Der Haimbuchner (Spitzenkandidat der FPÖ, Anm.) ist ein No-Name. Der Oberösterreicher ist ja doch rational, revolutionär ist er nicht. Der Wahlkampf der Blauen ist patschert und fad.

derStandard.at: FPÖ-Chef Strache hat bei einer Veranstaltung mit Haimbuchner gesagt: "Wir sind das Viagra der österreichischen Politik."

Huckey: Ist ein guter Sager, gell?

Flip (pfeift): Wenn der Haimbuchner mit dreißig schon Viagra braucht ...

derStandard.at: Außenstehende verbinden mit Oberösterreich entweder Linz als Industrie-Stadt, die für Voest, Stahl und Arbeit steht, oder aber den ländlichen, provinziellen Teil des Landes. Gibt es so etwas wie die oberösterreichische Seele, oder sind es eher zwei Seelen?

Flip: Das ist ziemlich vereinfachend, wenn man sagt, es gibt die Stadt und die Bauern.

Laima (lacht): Eher eine Stadt voller Bauern.

Flip: Jedes Viertel in Oberösterreich reklamiert für sich natürlich eine eigene Identität. Linz liegt zum Beispiel zur Hälfte im Traun- und im Mühlviertel. Es gibt wahrscheinlich schon so etwas wie eine Land- und eine Stadtmentalität. Die ist aber in Wels anders als in Steyr und dort wieder anders als in Freistadt. Nachdem jeden Tag 200.000 Leute nach Linz pendeln, gibt es sowieso diese Durchmischung in der Arbeitswelt.

derStandard.at: Da gibt es also noch die Pendler-Seele.

Huckey: Genau. Nicht eine, nicht zwei, sondern mehrere Seelen.

derStandard.at: Der Musiker und Autor Andreas Kump hat gesagt: "Linz, die Stahlstadt, hat den Stahl satt."

Flip: Die Voest hat heute nicht mehr die Rolle wie in den 70er Jahren, als wahrscheinlich die Hälfte der Linzer mit der Voest irgendwie zu tun hatten. Und sei es nur, dass der Vater oder der Bruder dort beschäftigt waren. Es haben ja 100.000 Leute dort gearbeitet. Die Voest war auch ein soziales System. Sie hat ja überall Skihütten gehabt und Urlaube organisiert. "Bist ein Voestler oder nicht": Das war ja eine eigene Klasse in der Stadt. Heutezutage ist das nicht mehr so. Und allein schon durch das Verschwinden des Smogs ist die Voest nicht mehr so sichtbar.

derStandard.at: Markus Binder von Attwenger persifliert im "Datum" die Reden der oberösterreichischen Landtagswahlkandidaten und deren Anti-Wien-Rhetorik. Brauchen die Menschen am Land den Landespolitiker, der gegen Wien agitiert – oder bildet sich das der Landespolitiker nur ein?

Huckey: Die machen das meiner Meinung nach natürlich nur für die Leute. Damit die sagen: Die sind bei uns, die lassen sich da nicht am Schädel scheißen vom Wasserkopf in Wien und von der Bundesregierung.

Laima: Es gibt so viele Leute, die irgendwo in ihrem kleinen Dorf sind. Und da funktioniert das mit den "Großkopferten". Das ist ein automatischer Schutzschild ...

Flip: ... halt das klassische Sündenböcke Suchen.

Laima: Es ist schon auch typisch für Österreich ...

Flip: ... ja und ein völliger Anachronismus, dass wir uns neun Landesregierungen leisten und neun Landesschulverwaltungen und was weiß ich alles. Ich meine, Österreich hat acht Millionen Einwohner, Bayern hat dreizehn Millionen. Dieses Landeskaiser-Syndrom ist massiv. Das kann man sich ja in ganz Österreich anschauen, ob das jetzt der Pröll ist, der eine komplette Machtgeilheit besitzt, oder ob das halt in Kärnten der Haider war, der halt so tut, als wäre das sein Hobby, dem einen ein bissl Geld zu geben und dem nächsten wieder was anderes. In Tirol war es der Van Staa, der sich so gebärdet hat oder in der Steiermark die Krainers. Das ist natürlich schon total furchtbar und extrem reaktionär, was dort vertreten wird ...

Huckey: ... dieses Kleinkrämertum.

Flip: Ja, dieses "Mir san mir". So als wären wir so allein auf der Welt, und nur da sind die Guten, das ist völlig beschissen. Das ist dasselbe wie Nationalismus, halt auf kleiner Basis und ohne Militär und ohne Gewaltpotenzial.

derStandard.at: Manche Landeshauptleute haben ja auch ein fürstliches Auftreten.

Flip: Ja, klar. Da kann man sich genau vorstellen, wie vor 300 Jahren irgendwelche Fürsten und Grafen aufgetreten sind (mit nasaler Stimme): "Es geschehe ... Es geschehe nicht ... Wer steht mir zu Gesicht ... Wer nicht?" Und dann fahrens zur Landeshauptleute-Konferenz nach Wien und hauen am Tisch: "Das lassen wir uns nicht bieten." Das ist alles absurd.

derStandard.at: Ihr geltet als Band, die ihre basisdemokratische Ausrichtung schon mal mit Diskussionen auf der Bühne beweist. Politiker müssen ja nicht wie in einer Band vier, fünf Leute vertreten, sondern im Fall von Oberösterreich zu einem Konglomerat von 1,4 Millionen Menschen sprechen. Ist das überhaupt möglich, nicht schablonenhaft aufzutreten?

Flip: Im Grunde ist die Politik zu einer Phrasendrescherei und einer Marketing-angepassten Angelegenheit degeneriert. Man weiß zwar, dass die Politiker hinter der Türe gut Freund sind und "Servas" sagen. Der Politiker denkt zum Beispiel: Ich finde das eigentlich gut, nur wir von der ÖVP müssen da jetzt dagegen sein. Aus.

Huckey: Berufspolitiker machen ja nichts anderes mehr als in Floskeln reden. Das ist aber, glaube ich, die Begründung, warum der Beruf oder der Stand des Politikers heute praktisch obsolet ist und sich fast ad absurdum führt. Es geht nur noch darum, irgendwelche Leute hinzustellen, die sich dann sowieso bestimmten Gruppenzwängen unterordnen. Es geht nicht mehr um Persönlichkeiten, sondern um Symbole ...

Flip: ... um Fotogenität.

derStandard.at: Aber wenn sich der Beruf des Politikers ad absurdum führt, was wäre die Alternative?

Huckey: Na, es machen ja heute schon alle anderen Politik bis auf die Politiker. Unternehmen machen Politik, Medien machen Politik, die Politiker eher nicht.

derStandard.at: Es sitzen überdurchschnittlich viele Oberösterreicher in der Regierung in Wien. Hat das einen Grund?

Flip: Der Stickstoff aus der Chemie, den wir als Kinder alle eingeatmet haben, der hat unsere Hirne überproportional wachsen lassen, deswegen gibt es genug Minister. Nein, ich weiß nicht wieso. Da sind wir wieder beim Strebsamen, beim Ehrgeiz. (lacht) Wenn du es in Oberösterreich schaffst, schaffst du es weltweit. (Lukas Kapeller, Marijana Miljkovic, derStandard.at, 8.9.2009)