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Schlafwandeln: Ungewollte nächtliche Aktivität

Foto: APA/dpa/Patrick Pleul

"Schlafwandelepisoden passieren aus dem Tiefschlaf heraus", weiß Birgit Högl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung und leitende Oberärztin des Bereiches Neurologische Schlafmedizin der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck. Die Gehirnaktivität ist in den üblicherweise zwanzigminütigen Tiefschlafphasen weitgehend reduziert, der Blutdruck sinkt, Atmung und Herzfrequenz sinken, die Muskulatur ist entspannt. Entscheidendes Merkmal dieser Schlafsequenzen: Sie verlaufen entgegen der REM-Phasen (Rapid eye movement) weniger traumintensiv.

Korrelierend mit dem Auftreten dieser Tiefschlafphasen tun Schlafwandler primär im ersten Drittel der Nacht mitunter gespenstige Dinge. Von gefährlichen Fensterstürzen wird immer wieder berichtet und vom Verzehr ungenießbarer Lebensmittel. Was bringt diese Menschen zu dieser ungewollt nächtlichen Aktivität? Da mehr Kinder als Erwachsene schlafwandeln, liegt die Vermutung nahe, dass es mit der Unreife des kindlichen Gehirns zu tun hat. Was Erwachsene zum schlafwandeln treibt, ist nicht restlos geklärt. Genetische Faktoren scheinen jedoch eine entscheidende Rolle zu spielen.

Gehirn schläft, Muskulatur ist putzmunter

"Was man sicher weiß ist, dass es sich um eine inkomplette Aufwachreaktion handelt", berichtet die Innsbrucker Schlafexpertin. Nächtliche Aufwachreaktionen sind an sich nichts Ungewöhnliches. Jeder schlafende Mensch ist nachts gelegentlich damit konfrontiert. Was jedoch den Schlafwandler vom Nichtschlafwandler unterscheidet: Während zweiter einfach weiterschläft oder aber vollkommen aufwacht, bleibt der Schlafwandler in einem Zwischenstadium stecken. Unvollständiges Erwachen lässt sein Gehirn schlafen, während die Muskulatur plötzlich putzmunter ist.

Mit offenen Augen beginnt Schlafwandler in diesem Zustand plötzlich herum zu gehen, allerdings nicht mit der vermeintlich schlafwandlerischen Sicherheit. Im Gegenteil: Abgründe oder Hindernisse sind für somnambule Menschen eine große Gefahr. „Schlafwandler nehmen ihr Umgebung nur sehr rudimentär wahr", weiß Högl. Am nächsten Morgen ist in der Regel vergessen was in der Nacht vorher geschah. Manche Patienten berichten im nach hinein von einer gewissen Anziehungskraft durch den Mond oder anderen Lichtquellen. Wissenschaftliche Beweise für einen möglichen Zusammenhang mit der berühmten Mondsüchtigkeit fehlen jedoch.

Bloß nicht aufwecken

Aufwecken und den Schlafwandler von seinem nächtlichen Treiben schnellst möglich befreien. Diesem Instinkt würde man als Zeuge nächtlicher Szenen gerne folgen. „Auf keinen Fall aufwecken, besser sanft am Ellbogen packen und den Schlafwandler mit sanftem Schub ins Bett zurück bugsieren", rät Högl. Davon abgesehen, dass Schlafwandler schwer zu wecken sind, ist nicht ein mögliches Erschrecken der Grund warum man auf Weckversuche besser grundsätzlich verzichtet. „Die Episode kann sich durch Weckreize noch verlängern", ergänzt die Schlafmedizinerin und spricht von einem Triggereffekt.

Die Betroffenen selbst sollten über Triggerfaktoren jedenfalls Bescheid wissen. Denn neben Weckreizen können auch andere Dinge Schlafwandelepisoden verlängern beziehungsweise auslösen. Entscheidend ist, das Risiko eines nächtlichen Rundgangs steigt mit dem Schlafdruck. Ist dieser groß, sei es weil der Betroffene die letzte Nacht durchgefeiert hat oder er sich mitten im Jetlag befindet, dann verlängert sich beim ersten Nachholen des Schlafes die Tiefschlafphase. Gefeit vor den nächtlichen Ausflügen ist der Schlafwandler auch bei hervorragender Schlafhygiene allerdings nicht. Darum macht die Sicherung seines Schlafumfeldes in jedem Fall Sinn. „Komplexe Handlungsabläufe gehören nicht in das Programm eines Schlafwandlers", weiß Högl und schlägt daher vor die Haustüre abzusperren, den dazugehörigen Schlüssel in einer Schublade zu deponieren, die ihrerseits abgesperrt wird. (Regina Philipp, derStandard.at, 17.9.2009)

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