
Zehn Frauen aus acht verschiedenen Ländern auf vier Kontinenten gehören zum Redaktionsteam. "Die Vorurteile, die man manchen Ländern gegenüber oft hat, werden hier ausgelöscht", sagt Sendungsmacherin Haydee Jimenez: "Wir arbeiten hier alle an einer gemeinsamen Sache."
Salzburg – Ein lichtdurchfluteter Besprechungsraum im ersten Stock des Salzburger Kulturhauses "ARGEkultur". Rund um die zusammengeschobenen weißen Tische sitzt eine Gruppe Frauen verschiedenen Alters und unterschiedlichster Herkunft, es gibt Kaffee aus Plastikbechern, Mineralwasser und einen Gugelhupf. Es ist Dienstagnachmittag, 15 Uhr: Die Redaktionssitzung von "Willkommen in Salzburg" steht auf dem Terminkalender.
Integrationstipps in fünf Sprachen
"Willkommen in Salzburg" ist ein Projekt, auf das man beim Salzburger freien Radio, der "Radiofabrik", besonders stolz ist: Zehn Migrantinnen machen Radio für Migrantinnen. In der einstündigen Sendung, die alle zwei Wochen neu produziert wird, geben sie allen Neo-Salzburgerinnen aus anderen Ländern Tipps für gelungene Integration – und zwar in fünf Sprachen. Neben Deutsch gehen die Informationen auch in Englisch, Russisch, Türkisch sowie Bosnisch/Kroatisch/Serbisch über den Äther.
Fremdenrecht, Arzt, Jobsuche, Freizeit
"Von den Themen her kommt alles vor, von dem die Frauen finden, dass es ganz einfach wichtig ist am Anfang in einer neuen Stadt in einem neuen Land", sagt Eva Schmidhuber, Programmkoordinatorin der Radiofabrik und Projektverantwortliche: "Was muss ich überhaupt tun für eine Aufenthaltsgenehmigung? Wo finde ich einen Arzt, der meine Sprache spricht? Wie schaut’s mit Jobsuche aus? Welche Freizeitgestaltungsmöglichkeiten gibt es?"
"Da hätte ich sicher reingehört"
Eine solche Sendung hätte sie sich selbst gewünscht, als sie vor dreieinhalb Jahren nach Österreich gekommen ist, sagt die Mexikanerin Haydee Jimenez: "Die Informationen, die wir hier weitergeben, hätte ich gern gehabt, als ich in Salzburg angekommen bin. Ich hatte damals auch jemanden, der mir geholfen hat. Aber die Jobsuche und die vielen kleinen kulturellen Unterschiede waren schon ziemlich herausfordernd."
Ihre Kollegin Sanja Ilic, die mit 19 Jahren aus Kroatien nach Salzburg gekommen ist, hier studiert hat und mittlerweile als Flüchtlingsbetreuerin bei der Caritas arbeitet, pflichtet ihr bei: "Wenn mir jemand den Hinweis gegeben hätte, hätte ich sicher reingehört und mir Tipps geholt." Zehn Frauen aus acht Ländern Außer Mexiko und Kroatien gehören auch Bosnien, Russland, die Türkei, Turkmenistan, die Philippinen und Australien zu den Herkunftsländern der "Willkommen in Salzburg"-Redaktion.
"Manche der Frauen sind schon seit über 20 Jahren in Österreich, manche sind noch nicht einmal ein Jahr da", sagt Schmidhuber. Österreichische Staatsbürgerinnen seien genauso darunter wie Asylwerberinnen. Neulinge seien jederzeit willkommen.
Motivation zum Deutschlernen
Jeweils etwa zehn Minuten der Sendung sind in jeder der fünf Sprachen zu hören. Interviews mit Experten werden mit Voice-over in die jeweilige Sprache übersetzt. Der deutschsprachige Teil kommt jeweils ganz am Ende. Das ist Absicht: Die Hörer und Hörerinnen sollen die Informationen zunächst in ihrer eigenen Sprache hören, die deutsche Version soll einen Anreiz zum Deutschlernen bieten.
Tipps für die Jobsuche
Deutschlernen und die passenden Kursangebote in Salzburg waren auch eines der Themen, denen sich die bisherigen Sendungen widmeten. Weitere Ausgaben drehten sich um das Aufenthaltsrecht, um Tipps für die Jobsuche und um Freizeitangebote in Salzburg. Insgesamt sollen bis Ende des Jahres zwölf Sendungen entstehen.
Frauen gezielt fördern
Die Motivation hinter dem Projekt beschreibt Schmidhuber so: "Wir haben sehr viele Sendungsmacher mit migrantischem Hintergrund. Die machen alle ihre eigene Sendung in ihrer eigenen Sprache für ihre eigene Community – was eine ganz tolle Sache ist. Was wir damit jetzt zusätzlich erreichen wollen, ist erstens einmal, dass auch Menschen aus verschiedenen Communitys gemeinsam an einem Projekt arbeiten, und außerdem wollten wir besonders noch einmal die Frauen ansprechen, weil die immer in der Minderzahl sind, nicht nur bei den Migrantinnen, sondern generell."
Die Themen der Sendungen legen die Migrantinnen selbst in ihren Redaktionssitzungen fest. "Es wird zumindest noch eine Sendung, wenn nicht zwei, zum Thema Gesundheit, Ärztinnen und Ärzte geben", verrät Schmidhuber.
Auch zum schwierigen Themenkomplex Gewalt in der Familie, Trennung und mögliche fremdenrechtliche Konsequenzen ist eine Sendung geplant, ebenso zu Kinderbetreuung, Kindergarten und Schule. Die Sendungen werden jeweils einmal im Programm der Radiofabrik wiederholt und stehen außerdem zum kostenlosen Download und als Podcast bereit.
"Erfüllen Auftrag des ORF"
Nimmt die Radiofabrik mit einem Projekt wie diesem nicht eine Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wahr? Schmidhuber lächelt: "Wir freien Radios behaupten ja ohnehin, dass wir einen Teil des öffentlich-rechtlichen Auftrags des ORF erfüllen. Der ORF hat natürlich nicht die Möglichkeiten, Menschen von der Straße zu holen und innerhalb eines Monats auszubilden. Dieser offene Zugang ist genau der Zugang der freien Radios." Seit der ORF sein Mittelwellenprogramm eingestellt habe, gebe es für derartige Minderheitensendungen kaum mehr Möglichkeiten innerhalb der Anstalt.
Öffentlich finanziert wird das Projekt dennoch: Finanzielle Unterstützung kommt vom Europäischen Integrationsfonds, vom Innenministerium sowie von Stadt und Land Salzburg. Das Team der Radiofabrik bekommt dadurch die Ressourcen, den Sendungsmacherinnen intensiver unter die Arme zu greifen als das sonst bei Radioneulingen möglich ist.
Die Integrationsbeauftragte der Stadt, Davia Döring, ist voll des Lobes: "Das Projekt eröffnet den Frauen neue Betätigungsfelder, erweitert ihre Kompetenzen und stärkt ihr Selbstbewusstsein. Die vielfältigen Informationen helfen, dass sich neue Bürgerinnen der Stadt Salzburg hier besser und schneller zurechtfinden." Neben dem Integrationsbüro der Stadt und der Sozialabteilung des Landes kommt inhaltliche Hilfe auch vom Migrantinnenverein VIELE (Verein für interkulturellen Ansatz in Erziehung, Lernen und Entwicklung).
Um die Sendung bekannter zu machen, arbeitet Schmidhuber gerade an einem fünfsprachigen Flyer. Er soll in Zukunft den "Willkommensmappen" beigelegt werden, die die Stadt Salzburg an neu Zugezogene aus dem Ausland verteilt. (Markus Peherstorfer, derStandard.at, 08.09.2009)