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Mit teils dramatischen Kampagnen, wie sie für NGO-Arbeit typisch sind, machen Tierschützer auf ihre Anliegen aufmerksam. Die Anklagebehörde sieht darin nur die legale Seite einer Doppelstrategie
Von "seriösen" Aktivisten, die "Radikalen" den Rücken freihielten, ist im Strafantrag gegen zehn Tierschützer die Rede - Von Irene Brickner
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Wien - "Der Tierschützerprozess wird ein Lackmustest für den Rechtsstaat", sagt Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty Österreich. Entscheidend werde sein, "ob es dem Gericht gelingt, eine Trennlinie zwischen der Bildung einer Organisation mit der Absicht, Straftaten zu begehen, und legitimem Zusammenwirken von NGOs zu ziehen". Der Umstand, "dass NGO-Arbeit politisch oder wirtschaftlich immer auch wehtut", dürfe jedenfalls zu keiner Verurteilung führen.
Kritik an Anti-Mafia-Bestimmung
Wie berichtet beschuldigt die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zehn Tierschutzaktivisten der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation laut Paragraf 278a StBG. Die Anwendung dieser Anti-Mafia-Bestimmung in dem Fall wurde vielfach kritisiert. Der Prozess werde "wohl erst im Jänner 2010 starten", sagte der laut Strafantrag Erstbeschuldigte, Martin Balluch, am Mittwoch: "Wir haben beantragt, den Prozess nach Wien zu übersiedeln. Fast alle Angeklagten, Sachverständigen und Zeugen leben in der Bundeshauptstadt."
Kampagnenziele
Die Existenz einer Organisation, um im Zuge von Tierschutzkampagnen massiven Druck auf Unternehmen auszuüben, bestritt Balluch zum wiederholten Mal. Laut Strafantrag, der dem Standard in weiten Teilen vorliegt, soll die "kriminelle Vereinigung" jeweils nach einem "Muster" vorgegangen sein: Auf "nationalen und internationalen Treffen" und durch "Abstimmungen im Internet" seien Kampagnenziele - "sogenannte Targets" - festgelegt worden.
Dann seien die ausgewählten Unternehmen, etwa durch Einsichtnahme im Firmenbuch, ausgeforscht worden. Anschließend habe man ihnen eine Frist gestellt, binnen derer sie Forderungen - etwa Pelzverkaufstopp - zu erfüllen hätten. Im Weigerungsfall sei der Druck durch Demos, Störaktionen sowie Anschläge gesteigert worden. "Seriöse" und "radikale" Tierschutzgruppen hätten dabei zusammengewirkt und sich mittels "EDV-Experten" und "Handypool" abzuschirmen versucht.
Balluch-"Hörbild" abgesetzt
Die Tierschützer-Causa wirkt indes offenbar bis in den ORF hinein. Vergangenen Samstag um neun Uhr vormittags sollte auf Ö1 ein von dem Regisseur, Hörspielautor und Radiojournalisten Eberhard Petschinka angefertigtes Hörbild über Martin Balluch - seine Arbeit, seine Bücher und die Ermittlungen - ausgestrahlt werden. Freitagmittag wurde der Beitrag abgesetzt: "Er war noch nicht fertig", begründet dies Barbara Hufnagl von der ORF-Pressesstelle.
Petschinka schildert den Ablauf anders: Das Hörbild sei schon eine Woche vor der geplanten Sendung vorgelegen, "doch dann hieß es, ich müsse auch die Gegenseite zu Wort kommen lassen". Das jedoch habe sich als unmöglich herausgestellt: "Weder Staatsanwalt noch Richterin wollten zitiert werden." Der Vorschlag, im Hörbild über diesen Umstand zu informieren, sei als "dem Rundfunkgesetz nicht genügend" zurückgewiesen worden. Über das weitere Schicksal des Beitrags soll Donnerstag entschieden werden. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 10.9.2009)