In Österreich war es in der Vergangenheit üblich, dass bei den Eröffnungsfeiern der Olympischen Spiele die Sportfunktionäre vor den Sportlern ins Stadion einzogen. Dieser jahrzehntelang geübte rot-weiß-rote Brauch, der erst mit den Spielen in Peking abgestellt wurde, zeigte sehr deutlich, welche Mentalität im Österreichischen Olympischen Comité vorherrschend war. Das ÖOC, mit jährlich zwei Millionen Euro an Steuergeldern vom Staat und damit von den Österreicherinnen und Österreichern wohlfeil genährt, schien vorwiegend die Funktion eines Reisebüros für exklusive Formen des Urlaubs in olympischen Austragungsstädten zu haben. Dazu passte die hochstehende Debatte in meiner ersten ÖOC-Vorstandssitzung als Verteidigungsminister (der Heeressport stellt etwa zwei Drittel des Olympia-Kontingents, deshalb ist der Heeresminister in den Vorstand kooptiert; freilich ohne Stimm- oder Antragsrecht): Es wurde drei Stunden lang über die Farbe der Olympia-Einkleidung diskutiert. Weißes Outfit sei nicht geeignet, hieß es da etwa, weil darauf Schmutz zu leicht zu sehen sei.

Apropos Verunreinigung. Von einer weißen Weste des ÖOC ist aufgrund der im Raum stehenden finanziellen Ungereimtheiten schon seit Monaten keine Rede mehr. Die olympische Bewegung hat schweren Schaden genommen. In dieser für den gesamten österreichischen Sport ausgesprochen schwierigen Situation war der Rücktritt von Leo Wallner der richtige Schritt. Er macht damit einen Generationswechsel und einen Neuanfang im ÖOC möglich.

Damit ist es aber bei weitem nicht getan. Um wieder Vertrauen aufzubauen, muss es nicht nur weitere personelle Änderungen geben, es muss sich auch strukturell etwas ändern. Im ÖOC-Vorstand gibt es mittlerweile Reformkräfte, die das ähnlich sehen. Aus meiner Sicht sind bei einer Strukturänderung drei Punkte von essenzieller Bedeutung:

Erstens sind die Kontrollmechanismen auszubauen und zu stärken. Sämtliche Geldflüsse müssen klar nachvollziehbar und transparent sein. Das macht eine regelmäßige interne und externe Prüfung der gesamten Finanzgebarung notwendig. Der neue Präsident sollte, um gleich zu Beginn seiner Amtszeit Glaubwürdigkeit zu zeigen, die Aufklärung vorhandener Verdachtsmomente vorantreiben und eine Prüfung der gesamten Finanzen durch einen externen Wirtschaftsprüfer einleiten.

Verkrustungen aufbrechen

Punkt zwei: Es muss ein professionelles Management eingeführt werden. Im Sinne unserer Sportprofis sollten die Geschäfte von Wirtschaftsprofis geführt werden. Unsere Sportler/innen müssen im Zentrum stehen. Wenn von zwei Mio. Euro öffentlicher Gelder fast 70% in die Verwaltung fließen und lediglich 100.000 Euro (!) bei den Olympia-Teilnehmerinnen und -Teilnehmern ankommen, dann stimmt etwas nicht. Und wenn Professionalität vorhanden wäre, hätte das ÖOC nicht außerhalb der Bundeshauptstadt, in Oberwaltersdorf, um eine Million Euro einen Vereinssitz erstanden, der derart mondän ist, dass er nicht einmal ein Sitzungszimmer aufweist. (Übrigens sollte der Vorstand in Erwägung ziehen, diesen wahnwitzigen Kauf - sofern rechtlich möglich - rückgängig zu machen.)

Drittens muss ein professionelles Marketing eingeführt werden. Das ÖOC als weltweites Aushängeschild des österreichischen Sports könnte eine sehr gute, auch lukrative Marke sein. Mit einem Marketing, das diesen Namen auch verdient, könnten wesentlich mehr Sponsoring-Gelder akquiriert werden. Längerfristig gesehen könnte sich dann der Staat schrittweise sogar als Fördergeber zurückziehen. Jedenfalls sollte es möglich sein, das Verhältnis von privaten (1 Mio. Euro) zu öffentlichen Geldern (2 Mio. Euro) umzudrehen.

Leider versickert jedoch nicht nur im ÖOC viel zu viel Geld. Das Modell der österreichischen Sportförderung stammt wesentlich noch aus der Nachkriegszeit und ist mittlerweile längst reformbedürftig. Ich für meinen Teil bin fest entschlossen, die Erstarrung und Verkrustung im Förderwesen aufzubrechen. Wir haben jetzt eine einmalige Chance, den Sport in Österreich langfristig auf neue Beine zu stellen. Mein Ziel ist es, bis Jänner 2011 eine umfassende Förderreform durchzuziehen. Deren Kernpunkte müssen schlanke Strukturen, mehr Transparenz, professionelles Controlling und bessere Zweckorientierung sein.

Mir ist bewusst, dass es auch dabei große Widerstände geben wird. Für die Zukunft des österreichischen Sports ist die Überwindung dieser Widerstände aber eine der wichtigsten Voraussetzungen für das, was wir uns alle wünschen: Erfolge und ein Sportland, auf das wir alle stolz sein können. Ich möchte und werde daher weiterhin an der richtigen Stelle lästig sein - allerdings nicht, wenn es um die Farbe der Einkleidung geht, sondern um jene der Weste des österreichischen Sports. Die soll nämlich wieder weiß werden. (Norbert Darabos, Sportminister - DER STANDARD PRINTAUSGABE 14.9. 2009)