Wien - Heftige Kritik am Tod des Schubhäftlings, der Montagfrüh nach einem Hungerstreik im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernalser Gürtel gestorben ist, kam am Dienstag von Manfred Nowak, Leiter des Boltzmann-Instituts für Menschenrechte: "Die Menschen werden in Zellen verwahrt, sitzen dort wie Verbrecher, weil der Staat nicht weiß was er mit ihnen machen soll. In Zellen eingesperrt zu sein ist eine große psychische Belastung und deswegen gehen Menschen auch in Hungerstreik", zitiert das Ö1-Morgenjournal.

Es gebe in der Schubhaft keine oder fast keine psychologische und sozialhygienische Betreuung. Auch die medizinische Betreuung sei "eine der großen Schwachstellen, vor allem weil es an Dolmetschern fehlt und sich die Ärzte und Ärztinnen viel zu wenig mit den Schubhäftlingen unterhalten können", so Nowak.

Fekter weist Kritik zurück

Innenministerin Maria Fekter weist Nowaks Kritik im Ö1-Mittagsjournal zurück. Die medizinische Versorgung von Schubhäftlingen funktioniere optimal, man habe etwa sukzessive bauliche Verbesserungen in den Schubhaftzentren vorgenommen, ein neues Haus für die Unterbringung von Familien sei in Vorbereitung. Sie könne garantieren, dass Schubhäftlinge auch mit dem verschärften Fremdenrecht optimal betreut werden, so Fekter in Ö1.

Keine Zwangsernährung

Amnesty-Generalsekretär Patzelt kritisterte im Morgenjournal ebenfalls erneut die Zustände in der Schubhaft: "Wenn der Staat einsperrt, muss er menschenrechtskonform einsperren. Das ist derzeit in den vorhandenen Schubhafteinrichtungen nicht möglich. Es ist die Anzahl der Betroffenen zu verringern und die Betreuung zu verbessern."

Nowak und Patzelt erklärten im Gespräch mit Ö1, dass Zwangsernährung in Österreich nicht in Frage käme, "weil sie einer Folter gleichkäme". Normalerweise, so Manfred Nowak, werden Hungerstreikende, wenn sie eigentlich so gut wie haftunfähig sind, in eine Spezialabteilung der Justizanstalt Josefstadt gebracht. Dort beginnen sie dann laut Nowak oft wieder zu essen, "weil sie sehen, dass sie durch Hungerstreik nicht frei kommen und weil Betreuung und Essen dort besser seien als in der Schubhaft".

38 Tage im Hungerstreik

Laut Exekutive befand sich der verstorbene 20-jährige Inder Gaganpreet Singh K. seit 4. August in Schubhaft. Am 7. August trat er demnach in den Hungerstreik. Er sei täglich auf seine Haftfähigkeit untersucht worden, betonte der Amtsarzt.

"Nach derzeitigen ärztlichen Erkenntnissen konnte kein offensichtlicher Zusammenhang zwischen Hungerstreik und Todesursache gefunden werden", so die Polizei in einer Aussendung am Montag. Ein Amtsarzt habe noch am Sonntagvormittag die Haftfähigkeit des 20-Jährigen attestiert.

Eine Obduktion soll nun Klärung bringen. Beim Aufwecken Montagfrüh gegen 6.15 Uhr habe der Aufsichtsbeamte keine Auffälligkeiten festgestellt. Etwa eine Stunde später brach Gaganpreet Singh K. laut Aussagen von Mithäftlingen in der Zelle zusammen. Reanimationsversuche durch den Amtsarzt und einen Notarzt blieben erfolglos.

Der Hungerstreik sei "an sich komplikationsfrei" verlaufen, sagt Jochen Rausch, stellvertretender Chefarzt des Innenministeriums. "Es war zwischenzeitlich sogar eine Nahrungsaufnahme feststellbar." Gaganpreet Singh K. habe mehrere Wochen lang Gewicht verloren. Zwischendurch habe er jedoch über einige Tage hinweg drei Kilo zugenommen. Bei den letzten beiden Arztvorführungen habe der Mann bestimmte Untersuchungen verweigert. Seinen Allgemeinzustand, Puls, Blutdruck, Temperatur und Gewicht habe er allerdings  kontrollieren lassen.

Innenministerin Maria Fekter bedauerte am Rande der Regierungsklausur in Salzburg den Vorfall. Der Menschenrechtsbeirat sei bereits informiert, so Fekter.

Friedliche Kundgebung

Rund um das Wiener Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel haben sich am Montagabend 70 bis 80 Personen zu einer unangemeldeten Kundgebung versammelt. Von 18.20 bis 20.00 Uhr protestierte die Gruppe friedlich gegen den Todesfall, teilte die Polizei mit.

Die Wiener Grünen haben für Dienstagnachmittag zu einer Gedenkkundgebung für Gaganpreet Singh K. aufgerufen, die ab 17.00 Uhr vor dem Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel stattfinden soll.

1.223 Schubhäftlinge traten in Hungerstreik

Insgesamt sind in Österreich 1.223 Schubhäftlinge von Jänner bis Ende August 2009 in Hungerstreik getreten. Das sind laut den Zahlen des Innenministeriums rund 31 Prozent aller Personen, die sich in diesem Zeitraum in Schubhaft befanden (3.923). Statistisch dauert die Verweigerung der Nahrung laut Jochen Rausch, stellvertretender Chefarzt des Innenministeriums, etwa zwölf bis 13 Tage.  (APA, red)