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Merkel und Steinmeier waren am „Duell"-Abend scheinbar allgegenwärtig. Dabei verfolgten die TV-Konfrontation nur 14 Millionen Zuseher, 2005 waren es 20 Millionen gewesen.

Foto: AP Photo/Michael Probst

Für Franz Müntefering war die Sache gleich nach Ende der Veranstaltung klar. „Das war ein Durchbruch in diesem Wahlkampf", frohlockte der SPD-Chef am Sonntagabend, kaum dass Kanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer, SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier, wieder auseinandergegangen waren. Wenig überraschend: Die andere, also die CDU-Seite, sah es genauso, nur dass eben Merkel „Siegerin" war.

90 Minuten lang waren Merkel und Steinmeier bei der einzigen TV-Konfrontation dieses Wahlkampfes auf Sendung gewesen. Anders als 2005, als Merkel Amtsinhaber Gerhard Schröder herausgefordert hatte, war die auf ARD, ZDF, RTL und Sat 1 live übertragene Veranstaltung aber kein Quotenknüller: Nur 14 Millionen Menschen sahen zu, nicht 20 Millionen, wie im Jahr 2005.

Es ging auch etwas gemächlicher zu als vor vier Jahren. Merkel, die streckenweise angespannt wirkte, gab sich staatstragend, Steinmeier war ein bisschen angriffslustig. Unterm Strich ermittelten die Meinungsforschungsinstitute in Blitzumfragen ein Remis. Allerdings konnte Steinmeier laut Forschungsgruppe Wahlen bei den Unentschiedenen stärker punkten als Merkel. Bei 34 Prozent von ihnen hinterließ der Herausforderer einen besseren Eindruck als Merkel. Die Amtsinhaberin hingegen fanden nur 18 Prozent stärker.

Auf jene, die sich für die Wahl am 27. September noch nicht entschieden haben, setzt ja die SPD stark. So hofft sie den großen Rückstand auf die Union noch aufzuholen. In Umfragen liegen die Sozialdemokraten bei 25 Prozent, die Union bei 37 Prozent. „Das gibt uns Rückenwind", sagt Steinmeier über die TV-Konfrontation. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer warnte die Union vor allzu großer Zuversicht. Die Bundestagswahl sei nach dem Duell noch lange nicht gewonnen, sondern „offen".

Allerdings war das Aufeinandertreffen von Merkel und Steinmeier über weite Strecken kein Duell, sondern ein „Duett", wie sogar die Moderatoren alsbald monierten. „Die Vergangenheit war nicht schlecht", erklärte etwa Merkel, woraufhin Steinmeier zurückgab: „Die große Koalition hat gute Arbeit geleistet." Unterschiede wurden bei der Atomkraft deutlich - da will die Union ja den vereinbarten Ausstieg umkehren. Steinmeier warf Merkel vor, das Steuerkonzept der Union sei unrealistisch. Deutschland bräuchte neun Prozent Wirtschaftswachstum, um die in Aussicht gestellten Steuersenkungen zu finanzieren. Merkel wiederum lehnte den von der SPD geforderten flächendeckenden Mindestlohn ab.

Auffällig: Selbst bei Kritik griffen die beiden einander nicht persönlich an. So listete Steinmeier zwar auf, was sich seiner Ansicht nach unter einer schwarz-gelben Regierung alles verschlechtern würde, die Kanzlerin selbst aber klammerte er aus. Umgekehrt richtete Merkel ihren Vorwurf, die SPD denke ja doch an Bündnisse mit der Linkspartei, nicht an Steinmeier persönlich, sondern explizit an die ganze Partei.

Dementsprechend unzufrieden mit dem Duell ist die FDP. „Aus allen Poren" habe es nach großer Koalition gerochen, mäkelte FDP-Chef Guido Westerwelle. Auch Generalsekretär Dirk Niebel beklagte, Merkel habe sich nicht klar genug zur FDP bekannt. Tatsächlich hatte die Kanzlerin erklärte, ihre Ziele seien mit der FDP „besser machbar".

Die Sorge, dass Merkel es mit Schwarz-Gelb gar nicht so ernst meint, treibt die FDP seit geraumer Zeit um. Sie fürchtet, dass gewichtige Stimmen in der Union (und auch Merkel selbst) eigentlich gar nichts gegen die Weiterführung der großen Koalition hätten. Denn in einem schwarz-roten Bündnis müsste Merkel in der Steuerpolitik oder beim Kündigungsschutz keine so radikalen Reformen angehen wie in Zusammenarbeit mit der FDP. Und sie müsste sich dann auch nicht als „kalt und neoliberal" kritisieren lassen. (Birgit Baumann aus Berlin, DER STANDARD, Printausgabe, 15.9.2009)