Dass Autofahrer bei Tankstellen Preisabsprachen vermuten, heißt nicht, dass in diesem Markt tatsächlich gemauschelt wird. Die Spritpreisverordnung bringt laut Juristen nicht mehr Wettbewerb.

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Seit gut eineinhalb Jahren ist die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) damit beschäftigt herauszufinden, ob die Mineralölkonzerne sich bei der Preisbildung von Benzin und Diesel abgestimmt verhalten, was kartellrechtlich unzulässig wäre. Sollten sich jedoch Shell, BP und Co. bloß an den Preisen der Konkurrenten orientieren (sogenanntes Parallelverhalten), wenn sie ihre eigenen Spritpreise festlegen, handeln sie rechtskonform. Sich als Mitbewerber darüber zu informieren, welche Produkte am Markt zu welchen Preisen angeboten werden, ist notwendig und selbstverständlich. Wie sonst sollten sonst Unternehmen kompetitiv anbieten können?

Bei Spritpreisen sind die Konsumenten jedoch besonders sensibel, weil sich jeder nach dem Tanken seines Autos ärgert, wenn er für dasselbe Geld weniger bekommt als noch am Tag zuvor. Deshalb den Mineralölkonzernen gleich ein gesetzwidriges abgestimmtes Verhalten zu unterstellen, hält die Kartellrechtsexpertin von bpv Hügel, Dr. Astrid Ablasser, für verfehlt: "Der Spritpreismarkt zeichnet sich mehr als andere Märkte durch eine besonders hohe Transparenz und einer starken Homogenität der Produkte aus. Diese Voraussetzungen allein führen zu einem Angleichen der Preise oder einer verstärkten Bezugnahme auf die Preise der Wettbewerber. Auch Mineralölkonzerne müssen sich nach den Gegebenheiten des Marktes richten, das ist an sich nicht rechtswidrig." Die BWB sieht das nicht ganz so; wie sie den Sachverhalt abschließend beurteilt, kann noch niemand sagen, denn das "detaillierte und wissenschaftlich nachvollziehbare" Untersuchungsendergebnis lässt auf sich warten.

Bisher hat die BWBzwei Zwischenberichte zu ihren Untersuchungen verfasst - mit mageren Ergebnissen. Demnach begründen Ölkonzerne Preisbewegungen stets damit, dass die nur den internationalen Preisbewegungen, insbesondere den Platts-Notierungen in Rotterdam folgen würden. Ganz so sei das aber nicht, sagt die BWB dazu, denn Preiserhöhungen würden wesentlich schneller an heimische Kunden weitergegeben werden (binnen ein oder zwei Tagen) als Senkungen der Platts-Notierungen (erst am vierten Tag).

Gemeinsames Einverständnis

"Gerade ein oligopolistischer Markt, an dem transparente und homogene Produkte angeboten werden, neigt zur Consorted Practice" , sagt Stephan Polster, Partner bei der Wirtschaftskanzlei Dorda Brugger Jordis (DBJ). "Man beobachtet sich und hat ein gemeinsames Einverständnis. Der Umstand, dass die Preissenkungen von allen Unternehmen deutlich später weitergegeben werden als die Erhöhungen, legt den Verdacht der Absprache schon nahe. Nur eines ist klar: Mit der Spritpreisverordnung hat man das Problem weder in den Griff bekommen noch kartellrechtliche Bedenken ausgeschaltet."

Denn seit Erlass der Spritpreisverordnung am 1. Juli müssen Preise für Benzin und Diesel von Tankstellenbetreibern bei Betriebsbeginn festgelegt werden und dürfen im Laufe des Tages nicht mehr angehoben, sondern nur mehr gesenkt werden. Was die Autofahrerclubs begrüßen, lehnt die Mineralölwirtschaft vehement ab.

BP Austria und Shell Austria bekämpfen sie beim Verfassungsgerichtshof, weil, so BP-Austria-Chef Manfred Kilian, die Verordnung die Erwerbsfreiheit einzelner Unternehmen beschneide und daher den lokalen Wettbewerb einschränke. Tankstellen, die rund um die Uhr geöffnet haben, müssen laut Verordnung die Preise um Mitternacht fixieren und würden daher benachteiligt. Denn Mitbewerber, die erst in der Früh aufsperren, können sich dann an den schon festgesetzten Preisen der Konkurrenz orientieren - ein klarer Wettbewerbsvorteil.

Gegen Marktregulierung

Auch die Konsumenten würden von der Spritpreisverordnung nicht profitieren, sagt Hanno Wollmann von Schönherr Rechtsanwälte: "Als Kartellrechtler bin ich generell gegen jede Maßnahme, die auf eine Regulierung des Marktes abzielt. Und die Tatsache, dass der Treibstoffpreis im Laufe des Tages nur gesenkt werden darf, bedeutet ja nicht, dass Benzin für die Käufer günstiger zu haben ist. Jeder Tankstellenbetreiber wird nämlich in der Früh die Preise sicherheitshalber hoch ansetzen, um sie im Laufe des Tages immer wieder - jeder unterschiedlich stark - zu senken." Darüber hinaus seien jene Autofahrer benachteiligt, die in der Früh tanken müssten, einfach weil der Tank leer sei oder sie später keine Gelegenheit dazu hätten.

"Alle regen sich auf, dass Benzin etwa vor den Ferien teurer wird, aber dass die Preise für Hotels in der Hauptsaison steigen, das wundert niemanden. Wieso soll es nicht auch bei Treibstoffen saisonale Schwankungen geben?" , fügt Ablasser-Neuhuber hinzu.

Tatsache ist, dass der Preis von Benzin und Diesel viele Österreicher betrifft und sich die Öffentlichkeit für seine Entwicklung besonders interessiert. Bei anderen, weniger populären Produkten würde man Preisabsprachen nicht so schnell vermuten oder bemerken. "Die angebotenen Treibstoffe kann man an einer Hand abzählen und leicht vergleichen. Im Lebensmittelhandel wäre das nicht möglich" , sagt Raoul Hoffer von Binder Grösswang. "Es geht hier also letztlich um eine Frage der Wahrnehmung. Eines ist jedoch klar: Die grundlegenden Probleme des Ölmarktes hat man mit der Spritpreisverordnung nicht gelöst." (Judith Hecht, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 16.9.2009)