Auch in Österreich werden schwere Kartellverstöße seit kurzem mit Millionenstrafen geahndet. Aber für eine effektive Verfolgung von Preisabsprachen ist die Bundeswettbewerbsbehörde nicht gut genug ausgestattet.

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Was noch vor wenigen Jahren in Österreich als Kavaliersdelikt galt, hat sich in ein wirtschaftliches Kapitalverbrechen verwandelt. Spätestens seit der 75-Millionen-Euro-Strafe gegen das österreichische Aufzugskartell ist es auch hierzulande wohl jedem Manager bewusst geworden, dass Preisabsprachen mit seinen Mitbewerbern zwar profitabel, aber auch sehr riskant sind. Und auf europäischer Ebene sind dreistellige Millionenstrafen wegen Wettbewerbsverstößen und Marktmissbrauch inzwischen gang und gäbe.

Doch manche Experten zweifeln, ob die ständig steigenden Strafen wirklich ihren Zweck erfüllen. "Wenn man einen Konzern mit einer astronomischen Geldbuße bestraft, ohne zu berücksichtigen, was er unternommen hat, um Kartellbildung zu vermeiden, dann ist das eine sehr unpräzise Sanktion, die nicht unbedingt hilft, andere Unternehmen von Verstößen abzuhalten", kritisiert Axel Reidlinger, Managing Partner von Freshfields in Wien.

Vor allem die jüngste EuGH-Judikatur zum Fall Akzo Nobel (C-97/08P vom 10. 9. 2009), wonach Konzerne für Verstöße selbst von eigenständig agierenden Töchtern haften, treibt die Strafen in die Höhe, denn dies erlaubt der EU-Kommission und anderen Wettbewerbhütern, bis zu zehn Prozent des Konzern-Jahresumsatzes als Höchststrafe zu verhängen. Dies wird Konzerne dazu zwingen, die Kartellrecht-Compliance ihrer Töchter stärker zu kontrollieren. Aber, so Reidlinger: "Die Form verbotener Absprachen kann so vielfältig sein, dass man eine operative Verantwortung der Konzernspitze oft kaum feststellen kann."

Der dramatische Anstieg der Kartellstrafen hat auch die Debatte um die heimische Behördenstruktur neu belebt. Anders als in den meisten anderen EU-Staaten hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) keine Entscheidungsbefugnis, sondern muss Strafen beim Kartellgericht beantragen.

Debatte um BWB-Kompetenz

Viele Kartelljuristen würden sich für die BWB eine erstinstanzliche Kompetenz wünschen, doch in Österreich gibt es keine andere Behörde, die so hohe Strafen verhängen kann. Deshalb tritt Reidlinger dafür ein, dass die BWB zwar mehr Befugnisse erhält, aber die Verhängung von Geldbußen beim Kartellgericht bleibt. "Die Erfahrung, die Richter mit solchen Sanktionen und Beweisabwägungen haben, macht sich bezahlt", sagt er.

Stephan Polster von Dorda Brugger Jordis (DBJ) wünscht hingegen für die BWB eine Entscheidungsinstanz: "Es würde dann schneller zu Entscheidungen kommen. Darüber hinaus müsste sich die BWB auch einmal mit der Verteidigungsseite auseinandersetzen, was nicht schlecht wäre - zurzeit fühlt man sich in der Verteidigungsrolle doch ganz verlassen."

Aber so wie die BWB derzeit ausgestattet ist, kann sich kaum jemand eine solche Aufwertung vorstellen. Es fehle an Leuten und an einer klaren Organisation, sagt Raoul Hoffer von Binder Grösswang: "Zurzeit haben wir keinen Ansprechpartner. Von außen tut man sich sehr schwer, die internen Zuständigkeiten zu erkennen."

Und Hanno Wollmann von Schönherr fügt hinzu: "Die Entscheidungsfindung in der BWB ist sehr schwierig, der Generaldirektor ist zwar der Inhaber der Entscheidungsebene, aber jeder Sachbearbeiter brät in seinem eigenen Saft. Man bräuchte dringend eine Zwischenebene mit hervorragenden Abteilungsleitern."

Vielerorts wird dem BWB-Generaldirektor Theodor Thanner Führungsschwäche vorgeworfen. Er repräsentiere zwar im Ausland, aber verfolge keine klare Linie, kämpfe nicht für mehr Budgetmittel und verlasse sich darauf, mithilfe von Kronzeugen Kartelle zu sprengen. Die meisten wettbewerbsbehindernden Strukturen im Land blieben dabei unangetastet.

Deshalb ist auch die Kritik an der Doppelgleisigkeit zwischen der BWB und Bundeskartellanwalt Alfred Mair im Justizministerium, die beide Anträge ans Kartellgericht stellen können, etwas verstummt. Denn Mair nimmt sich mancher Fälle an, die von der BWB links liegengelassen werden. "Mair ist ein guter Mann, aber die Doppelkontrolle ist eine typisch österreichische Lösung", sagt Hoffer. "Beide haben dieselben Aufgaben, aber agieren oft ganz unterschiedlich." Und Polster: "Zurzeit stehen sie sich beide im Weg." (Eric Frey, Judith Hecht, DER STANDARD, Printausgabe, 16.9.2009)