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Foto: AP/Aaserud

Als Revoluzzer hat Jens Stoltenberg wohl bitter versagt. Wegen des Krieges in Vietnam hat er einst Steine auf die US-Botschaft in Oslo geworfen. Getroffen haben will er aber nicht. Der damalige Wirtschaftsstudent ist heute Premierminister des ölreichen Norwegen.

Als Staatenlenker geriet Stoltenberg kaum in den Verdacht des Linksradikalismus. Von Kommentatoren als "nordischer Tony Blair" bezeichnet, fuhr der Sozialdemokrat 2001 für seine "Arbeiderpartiet" das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte ein und musste als Premier abtreten. "Ich habe verstanden" , sagte Stoltenberg damals. Im Jahr darauf übernahm er den Vorsitz seiner Partei und trimmte sein Image vom neoliberalenPrivatisierer und EU-Befürworter um. Erstmals in der Geschichte der Arbeiterpartei formte er 2005 eine Koalition und holte die grün angehauchten Sozialisten und die agrarische Zentrumspartei in die Regierung.

Heute tritt er als Wohlfahrts-Onkel auf, der den Norwegern höhere Pensionen und ein besseres Gesundheitssystem verspricht.

Der Karrierepolitiker entstammt einer roten Dynastie. Als er 1990 erstmals als Umweltstaatssekretär in die Regierung kam, war einer seiner Kollegen sein Vater - der Außenminister. Davor war er fast zehn Jahre Chef der roten Jugendorganisation und Journalist bei der Parteizeitung Arbeiderbladet. Seine Familie gilt als sehr eng miteinander verbunden. Umso schockierender war es für ihn und die Öffentlichkeit, als sich seine Schwester Nini Stoltenberg 2001 zu ihrer Heroinsucht bekannte, eine Woche, nachdem Jens als Premier zurückgetreten war. Verheiratet ist der 50-Jährige mit der Diplomatin Ingrid Schulerud. Das Paar lernte sich mit 17 Jahren in der Schule kennen. Sie haben zwei Kinder miteinander, Axel und Catharina.

Sein an die US-Präsidentenwahl angelehnter Slogan "Jens, vi kaen" steht paradoxerweise für das Gegenteil dessen, was Obama will. Statt um "change" bat Stoltenberg um die Wiederwahl seiner Regierung, da sie "die sicherste Option" sei. Angesichts der zerstrittenen Opposition wirkte Stoltenberg wie ein Fels in der Brandung. Kritiker legen ihm hingegen seine Selbstsicherheit als Arroganz aus. Als einer von wenigen Politikern inNorwegen wird er mit Vornamen genannt - ein Zeichen des Vertrauens. Während seine Hauptkonkurrentin imWahlkampf, die Rechtspopulistin Siv Jensen, mit markigen Sprüchen auffuhr, blieb Jens bei seiner Linie. Der Konsenspolitiker hat damit wohl einen Nerv getroffen. (Alexander Fanta/DER STANDARD, Printausgabe, 16.9.2009)