Wien - Alles ist still. Man hört kein Geräusch außer das schnelle Pochen des eigenen Herzens. Es fühlt sich an wie die Ruhe vor dem Sturm. Dunkelheit erfüllt den Raum, in dem die Zuschauer sitzen.

Das Gefühl, auf der Bühne zu stehen, lässt sich schwer beschreiben, man muss es erleben. Viele junge Menschen träumen von einer Karriere als Schauspiel- oder Musicalstar und unterschätzen dabei das harte Künstlerleben.

Sylvia Rotter, Leiterin des Wiener Kindertheaters, berichtet: "Ich kenne viele traurige Existenzen in der Schauspielbranche. Die meisten Schauspieler leben in extremer Unsicherheit, alles läuft nach Angebot und Nachfrage." Rotter, die früher selbst in England schauspielte, achtet weniger auf das Talent der Kinder, die sie ausbildet, als auf das individuelle Bemühen.

Was auf der Bühne so leicht aussieht, birgt Stunden an schweren Proben, Tränen und Schweißarbeit. Will man im Bühnenbetrieb Fuß fassen, muss man zudem viel von sich preisgeben, sei es einen unappetitlichen Menschen zu küssen oder vor dem Publikum ungeniert Gefühle zu zeigen.

Doch die Mühen machen sich in vielerlei Hinsicht bezahlt, meint Rotter. Sie sieht Schauspielen, Tanz und Gesang als "Lehre für das Leben" , da man viele Fähigkeiten erlerne, die man in jedem Beruf brauchen kann, wie etwa ein sicheres Auftreten sowie Kommunikations- und Teamfähigkeit.

Der Meinung schließt sich auch Susanne Pointner, Psychologin an der Universität Wien, an. "Schauspielen, Tanz und Gesang versetzen das Gehirn in eine bestimmte Frequenz, die langfristiges Wohlbefinden auslösen kann."

Dennoch birgt die Bühne auch Gefahren, erklärt Pointner: "Permanent konstante Leistungen erbringen zu müssen nimmt der Jugend oft die natürlichen Schwankungen. Das führt zu Stress, zu einem erhöhten Depressions- und Burn-out-Risiko." Das Gleichgewicht zwischen Belastung und Erholung ist wichtig.

Kleinigkeiten entscheiden

Am Konservatorium Wien bewerben sich jährlich 150 bis 200 Jugendliche, 70 Prozent davon Mädchen, und treten zur dreitägigen Aufnahmeprüfung an. Acht Leute werden nach mehreren Runden am Ende aufgenommen. Lior Kretzer, stellvertretender Vorstand in der Abteilung Musical, erklärt: "Der Wille, die nächsten vier Jahre mit uns arbeiten zu wollen, uns Vertrauen zu schenken, zählt genauso wie das Talent. Der Konkurrenzkampf ist gigantisch, die Leute werden immer besser, da achtet man auch auf Kleinigkeiten."

Jasmin (20) will Musicaldarstellerin werden. Schon mit sieben Jahren begann sie zu tanzen und besucht seitdem eine professionelle Musicalcompany sowie Tanz- und Gesangskurse. "Vor kurzem habe ich die Aufnahmsprüfung im Performingcenter Wien bestanden" , erzählt sie freudestrahlend. "Man muss sich permanent beweisen, man hat einen Dauerdruck." Gescheiterte Aufnahmsprüfungen frustrieren zwar immer wieder aufs Neue, "aber wenn man dafür kämpft, merkt man auch, wie sehr es sich lohnt". (Carmen Eder/DER STANDARD-Printausgabe, 16. September 2009)