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Ernst Märzendorfer 2008 bei einer Fotoprobe zu "La Traviata" der Opernfestspiele im Steinbruch St. Margarethen
Wien - Der Dirigent und Komponist Ernst Märzendorfer ist am Mittwoch im Alter von 88 Jahren nach schwerer Krankheit in Wien verstorben, teilten die Wiener Staatsoper und die Bundestheater-Holding in Aussendungen mit. Märzendorfer war für Holding-Chef Georg Springer "ein unermüdlicher Kämpfer für 'musikalische Richtigkeit', ein qualitätsbesessener Musiker und - abgesehen von seiner dirigentischen Qualität - ein 'musikalischer Alleswisser' im allerschönsten Sinn".
Märzendorfer, "einer der bedeutendsten Kulturbotschafter dieses Landes", "repräsentierte das österreichische Musikleben der 2. Republik" und "leistete einen wesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau unseres Kulturlebens nach der nationalsozialistischen Kulturzerstörung", so Kulturministerin Claudia Schmied in einer Aussendung. "Generationen von Musikern und Studenten prägte er durch seine Arbeit. Österreich verliert durch seinen Tod einen musikalischen Handwerker, Interpreten und Lehrer von großartiger Bedeutung."
Der Direktor der Wiener Volksoper, Robert Meyer, würdigte Märzendorfer als "lebendes Musiklexikon". Märzendorfer war "nicht nur eine herausragende Musikerpersönlichkeit sondern auch ein großartiger Sängerpädagoge", so Meyer in einer Aussendung. Der verstorbene Dirigent habe auf dem Gebiet der Operette "Unglaubliches geleistet. Sein Leben ist über 64 Jahre hinweg eng mit der Geschichte der Volksoper verbunden: von der ersten Nachkriegs-Vorstellung in der Volksoper am 1. Mai 1945, als er die Rezitative in der 'Hochzeit des Figaro' am Klavier begleitete, über sein Dirigentendebüt 1971 bis zu seiner letzten Vorstellung von 'Die Zauberflöte' am 23. Mai 2009."
Rege internationale Tätigkeit
Der am 26. Mai 1921 in Oberndorf bei Salzburg geborene Dirigent war seit 1999 Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper. Die letzte seiner 414 Vorstellungen an der Wiener Staatsoper war die "Zauberflöte für Kinder" im Februar 2007. Sein breitgefächertes Repertoire am Haus am Ring umfasste 42 Opernwerke, darunter "Rigoletto" (19 Vorstellungen), "Die Entführung aus dem Serail" (17 Vorstellungen), "Faust" und "Madama Butterfly" (je 16 Vorstellungen), "Die schweigsame Frau" (14 Vorstellungen), "Der Rosenkavalier" und "Le nozze di Figaro" (je 12 Vorstellungen). Er dirigierte u.a. die Uraufführungen von Henzes "Idiot" und "Tancredi". Sein Ballett-Repertoire an der Wiener Staatsoper umfasste 15 Werke, teilte die Staatsoper mit.
Märzendorfer studierte bei Clemens Krauss am Mozarteum und bei Robert Wagner in Graz, wo er auch ab 1940 Opernkapellmeister war. 1951 übernahm er am Mozarteum in Salzburg eine Dirigentenklasse, zwei Jahre später auch die Leitung des Mozarteum-Orchesters, blieb jedoch auch in dieser Position als Gast und teilzeitverpflichteter Dirigent in Graz tätig.
Als Gastdirigent fungierte Märzendorfer auch im Teatro Colon in Buenos Aires (Argentinien). Seine rege internationale Tätigkeit im Opern- und Konzertbereich führte ihn unter anderem nach Italien, Japan, Nord- und Südamerika, er dirigierte bei den Salzburger und Bregenzer Festspielen und den Wiener Festwochen, konzertierte mit den Wiener und Berliner Philharmonikern, den Wiener Symphonikern und anderen bedeutenden Orchestern.
Von 1954 bis 1978 war Märzendorfer, der die Instrumente Klavier, Violine und Viola beherrschte, auch an der künstlerischen Leitung der Salzburger Festspiele beteiligt. Von 1958 bis 1961 war er Dirigent an der Städtischen Oper Berlin, 1959 debütierte er an der Wiener Staatsoper (mit "Rigoletto"), 1971 auch an der Volksoper.
Fassung von Bruckners Neunter
Märzendorfers sehr umfangreiches Repertoire beinhaltete insgesamt weit über 100 Opern - darunter das gesamte Bühnenwerk von Richard Strauss, dessen "Capriccio" er 1965 in New York zur amerikanischen Erstaufführung brachte - und die gesamte große symphonische Literatur. Fast zwanzig Jahre, von 1976 bis 1993, leitete als Musikchef das Fest in Hellbrunn, wo er etwa "Esels Schatten", die letzte Oper von Richard Strauss, zur Erstaufführung brachte. Er hat auch zahlreiche Schallplatteneinspielungen, darunter Gesamtaufnahmen von "L'elisir d'amore", "Eine Nacht in Venedig", "Die Hugenotten" sowie die Erstaufnahme aller 107 Haydn-Symphonien vorgelegt.
Märzendorfer trat auch als Komponist von kammermusikalischen Werken und von Klavierkonzerten hervor. Zudem schrieb er das Ballett "Teufelsgarde" (1944). 1969 besorgte er eine spielbare Fassung des Finales von Anton Bruckners 9. Symphonie, das nur fragmentarisch erhalten ist. Märzendorfer war Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich (2006) und des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse (1991). (APA)