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Didier Burkhalter hält seine erste Rede als Bundesrat vor dem Parlament
Bern - Das eidgenössische Parlament hat am Mittwochvormittag einen neuen Bundesrat (Minister) gewählt. Den Zuschlag erhielt der 49-jähriger Didier Burkhalter (Freisinnige/FDP) aus dem französischsprachigen Kanton Neuenburg. Die Schweiz zeigt sich großteils zufrieden mit dem Votum. Burkhalter selbst sprach bei der anschließenden Pressekonferenz bereits über politische Vorstellungen. Er löst seinen Parteikollegen Pascal Couchepin (FDP) ab.
Der von den Schweizer Medien beschworene "Wahlkrimi" verlief zunächst spannend: In den ersten drei Wahlgängen hatte CVP-Kandidat Urs Schwaller die Nase leicht vorne, erreichte das erforderliche absolute Mehr aber nicht. Der anschließende Rückzug des zweiten FDP-Kandidaten Christian Lüscher kam einer Vorentscheidung gleich: Burkhalter setzte sich im vierten Wahlgang mit 129 Stimmen (120 erforderlich) klar durch.
Die Freude bei den Freisinnigen ist groß. "Die FDP-Fraktion ist froh, dass Burkhalter gewählt wurde, er wird ein sehr guter Bundesrat sein", sagte Parteipräsident Fulvio Pelli gegenüber dem Schweizer Fernsehen. Burkhalter sprach sich bereits für die Schaffung eines Bildungsdepartements (Ministerium) aus. Er glaube, dass er vom auf Ende Oktober zurücktretenden Couchepin (FDP) auch das Innenministerium übernehmen werde, das sich die Zuständigkeit im Schweizer Bildungswesen teilt.
Konkordanz
Ein geflügeltes Wort bei der Bundesrats-Ersatzwahl war die Konkordanz, der zufolge alle großen Parteien anteilsmäßig in der Schweizer Regierung (Bundesrat) vertreten sind. Die FDP reklamierte ihren Anspruch auf den freien (zweiten) Sitz, wurde aber von der in etwa gleich starken CVP mit nur einem Mandat herausgefordert.
Die Schweizer Regierung (Bundesrat) besteht aus sieben Mitgliedern, die seit 1959 nach einem fixen Parteienschlüssel besetzt werden. Die sogenannte "Zauberformel" wurde erst 2003 abgeändert, als die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) mit ihrem Zugpferd Christoph Blocher als stimmenstärkste Partei einen zweiten Sitz eroberte.
Zuvor saß sie mit einem Vertreter in der Regierung, während die Christliche Volkspartei (CVP), die Freisinnigen (FDP) und die Sozialdemokraten (SP) je zwei Ministerämter innehatten. Nunmehr ist die CVP mit nur einem Sitz vertreten, und auch die SVP hat nach der Abspaltung der BDP (Bürgerlich-Demokratische Partei) wieder einen Sitz zugunsten der kleinen Partei abgeben müssen. Minister werden in der Schweiz durch die Vereinigte Bundesversammlung gewählt. Ihr gehören beide Parlamentskammern (Nationalrat und Ständerat) an.
SVP-Fraktionschef Caspar Baader rühmte gegenüber der APA die Rolle seiner Schweizerischen Volkspartei: "Heute ist es dank der SVP gelungen, die Konkordanz zu retten." Die SVP-Parlamentarier setzten zuerst auf den weiter rechts positionierten Lüscher, verhalfen dann aber Burkhalter zum Erfolg - obwohl dieser unter anderem "eher europhil" sei, wie Baader betonte. Zu Beginn der Wahl in der Früh machte Baader klar, dass CVP-Mann Schwaller keine SVP-Stimmen erhalten werde.
Gelassen nach der Wahl gab sich SP-Präsident Christian Levrat (Sozialdemokraten). Es sei kein Schicksalstag für die Schweiz, erklärte er. Die Regierung sei auch mit der Wahl des Neuenburgers nach wie vor eine rechtsbürgerliche Regierung. Locker gab sich auch SP-Generalsekretär Thomas Christen. Unter dem Stich hätte er aber lieber Schwaller gesehen, erklärte er gegenüber der APA.
Die Wahlverlierer aus dem christlichdemokratischen Lager zeigten sich teils enttäuscht. Den Ausschlag für den FDP-Wahlerfolg habe ein "perfektes Paket" von FDP und SVP gegeben, erklärte CVP-Chef Christophe Darbellay. Die ungenügende Unterstützung von links sei sicher auch maßgebend, "aber wir werden nicht jammern. Wir gratulieren dem neuen Bundesrat", sagte er gegenüber der APA.
Der unterlegene CVP-Kandidat Schwaller betonte nach der Niederlage, Enttäuschung sei nun das falsche Wort für ihn. Den Grund für seine Nichtberücksichtigung ortet Schwaller in parteipolitischen Fragen mit der Order der SVP, ihm keine Stimmen zu geben. Seine sprachliche Herkunft sei untergeordnet gewesen. Schwaller gehört der deutschsprachigen Minderheit im mehrheitlich französischsprachigen Kanton Freiburg an. Das mache ihn zu keinem geeigneten Anwärter auf den Sitz des französischsprachigen Couchepin, lautete der weit verbreitete Tenor.
Die "Neue Zürcher Zeitung (NZZ) hielt in einem Online-Kommentar fest, die Wahl des Neuenburger Parlamentariers Burkhalter sei ein klarer Erfolg für die Westschweiz. "Ihr Anspruch, mit zwei Exponenten in der siebenköpfigen Landesregierung vertreten zu sein, bleibt gewahrt."
Burkhalter wird voraussichtlich das Innenministerium erben. Im Schweizer Regierungssystem können die Bundesräte in der Reihenfolge ihres Dienstalters wählen, ob sie das Amt vom zurückgetretenen Couchepin übernehmen oder nicht. Eine Rochade ist nicht zu erwarten, lautet die einhellige Meinung. (APA)