"Sie war im wahrsten Sinne die Leiterin unseres Orchesters. Sie zog uns alle in den Bann ihres Wahns, aus dem Repertoire, das wir spielten, etwas Perfektes zu machen. Wer von uns überlebte, verdankt es ihr. Sie war eine stolze Frau – würdevoll und unnahbar." (Anita Lasker-Wallfisch, Cellistin in der Frauenkapelle Auschwitz-Birkenau über Alma Rosé)
Die Musik hatte Alma Rosé schon im Blut, als sie 1906 in Wien auf die Welt kam: Ihr Vater war Arnold Rosé, berühmter Geiger und bis 1938 Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, ihr Onkel Gustav Mahler – der Bruder ihrer Mutter Justine -, ihre Patentante Alma Mahler-Werfel und in ihrem Elternhaus verkehrten musikalische Größen von Brahms bis Schönberg, Richard Strauss, Bruno Walter oder Alban Berg.
Ersten Geigenunterricht erhielt Alma von ihrem Vater, der ihr Talent früh erkannte und förderte. Aufschwung für ihre Karriere brachte ihr 1930 die Heirat mit dem international erfolgreichen tschechischen Geiger Vasa Prihoda, der sich aber bereits 1935 wieder von ihr scheiden ließ. In der Zwischenzeit hatte sich Alma als Dirigentin ihres eigenen Damen-Salonorchesters, den "Wiener Walzermädeln", einen Namen gemacht, und tourte damit durch Europa.
Emigration nach London
Der Einmarsch Hitlers setzte dem 1938 ein jähes Ende: Die Rosés waren, wie die Mahlers, zwar zum Katholizismus konvertiert, aber von Geburt jüdisch. Alma und ihr Vater emigrierten nach London, wo die Aussicht auf Arbeit gleich Null war. Um überleben zu können, nahm Alma einen Theaterjob in Holland an, spielte auch Hauskonzerte. Die Lage spitzte sich zu, als die Nazis Holland besetzten: Ihr Visa lief ab, nach London konnte sie nicht mehr zurück. Sie ging eine Scheinehe ein, was aber bald aufflog - von Freunden vorgewarnt, beschloss sie, über eine geheime Route in die Schweiz zu flüchten. Im Dezember 1942 wurde die Musikerin jedoch auf dem Weg dorthin in Dijon, Frankreich, von der Gestapo festgenommen und nach Auschwitz deportiert.
Leben gerettet
Wie durch ein Wunder überlebte sie die erste Selektion im Lager: In Birkenau wurde sie von einer Holländerin erkannt, wodurch die SS erfuhr, dass sie eine berühmte Musikerin war und sie mit der Gründung eines Frauenorchesters beauftragte. Fortan Dirigentin des Mädchenorchesters von Auschwitz-Birkenau, nutzte Alma jede Gelegenheit, um Frauen vor dem sicheren Tod zu retten: Sie nahm auch Frauen ins Orchester auf, die nicht wirklich ausgebildete Musikerinnen waren, verlangte eiserne Disziplin und vermittelte ihnen, dass nur harte Probenarbeit sie retten werde: "Wenn wir nicht gut spielen, müssen wir ins Gas."
Privilegien - und ungewöhnlicher Tod
Die SS zeigte vor Alma Rosés Leistung Respekt, nannte sie sogar "Frau Alma". Im April 1944 nahm sie an der Geburtstagsparty eines Lagerleiters teil, die sie mit Übelkeit und Erbrechen verließ. Sie wurde ins Lagerspital gebracht, wo sie ein privates Zimmer mit richtigem Bett erhielt und von dem berühmt-berüchtigten Dr. Mengele untersucht wurde. Zwei Tage später, am 5. April 1944, starb Alma Rosé, ihre genaue Todesursache ist nicht bekannt: Am Wahrscheinlichsten ist, dass sie an den Folgen von Botulismus starb, nachdem sie verdorbene Dosennahrung zu sich genommen hatte. Die Leiche der Musikerin wurde als eine der wenigsten der Millionen Auschwitz-Opfer zur Autopsie gebracht, wahrscheinlich, weil der Verdacht auf Cholera bestand und die Nazis sichergehen wollten, dass keine Infektionsgefahr bestand.
Erinnerungen...
Eines Morgens 1945 klopften zwei Nonnen bei Arnold Rosé in London, übergaben ihm einen Geigenkoffer und verschwanden wieder: Darin lag Almas wertvolle Guadagnini-Geige – Freunde in Holland hatten sie versteckt und ihrem Vater zukommen lassen, der sie dem Konzertmeister der Metropolitan Oper in New York verkaufte, wo sie noch über zwei Jahrzehnte erklang. Von Alma selbst ist lediglich eine einzige Tonaufnahme erhalten - mit ihrem Vater, Bach spielend.
2000 brachte der kanadische Musikkritiker Richard Newman eine umfassende Biographie von Alma Rosé heraus (siehe Kasten): Sie gründet auf 16 Jahre Recherche mit Informationen aus dem Nachlass von Almas nach Kanada emigriertem Bruder Alfred Rosé und der Korrespondenz der Familien Mahler und Rosé. 2003 kam nun die deutsche Übersetzung im Weidle Verlag in den Buchhandel.