Wien (APA) - Anlässlich der Anklage gegen zehn Tierschützer wegen Bildung einer kriminellen Organisation hat der Wiener Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk am Mittwochabend bei einer Veranstaltung im Presseclub Concordia scharfe Kritik an der Berufung der Justiz auf den sogenannten Mafia-Paragraf 278a StGB geübt. "Es spricht manches dafür, dass hier über das Ziel geschossen wurde", betonte er. Es wirke so, als ob Druck ausgeübt worden sei, um etwas Verfolgungswürdiges zu haben, um Beweise zu schaffen. "Es bleibt abzuwarten, wie gut halt jetzt die Strafjustiz funktioniert", meinte Funk weiter.

Auslegung "beunruhigend"

Auch die Sinnhaftigkeit der Paragrafen 278 und 278a zweifelte er an: "Was würde sich am Gefahrenpotenzial ändern, was wäre an Sicherheitsvorsorge weniger? - Eigentlich nichts", sprach er sich für eine "Entsorgung" der Bestimmungen aus. Aus Sicht einer möglichen Verfassungswidrigkeit spricht laut Funk nicht genug gegen die gesetzliche Regelung: Die Angriffspunkte würden sich nicht so weit verdichten lassen, dass dies greifbar wäre, betonte er. Die Auslegung im Falle der Tierschützer sei aus verfassungspolitischer Sicht aber sehr wohl "beunruhigend".

Vorbeugung und Strafe ungut gemischt

Kritik äußerte Funk auch im Hinblick auf die Gewaltentrennungsperspektive: Die Polizei könne durch den Paragrafen präventiv tätig werden, nicht nur kriminalistisch. Die Trennung von Vorbeugung und Strafe werde auf eine "ungute Art" vermischt. Es gebe eine Tendenz in Richtung Vorsorgegesetzgebung, bei der Regelungen für Fälle geschaffen würden, die irgendwann einmal eintreten könnten, meinte er. Dies zeige sich beim Strafprozess- und beim Polizeirecht, wo sich die Fülle an Ermächtigungen für die Exekutive deutlich vergrößert habe.

Weit gefasste Formulierung

Petra Velten, Vorstand des Strafrechtsinstituts an der Johannes Kepler Universität (JKU) in Linz, ist vor allem die weit gefasste Formulierung ein Dorn im Auge. Der Paragraf, der Vorbereitungshandlungen von kriminellen Organisationen strafbar machen solle, würde bei textgetreuer Interpretation selbst Fußballfan-Clubs zu verbrecherischen Vereinigungen machen. Die Bestimmung gebe als Parameter Gruppen-Charakteristika wie Arbeitsteilung, Hierarchien oder das Vorhandensein einer Infrastruktur vor. Diese gebe es praktisch bei jedem Verein, so Velten. Der Gesetzgeber habe bei der Schaffung des Paragrafen allerdings klar mafiöse Organisationen im Sinn gehabt. "Hier ist tatsächlich mit Kanonen auf Spatzen geschossen worden", meinte sie zur Causa der Tierschützer.

Verbrechen wie sexuelle Ausbeutung oder Schlepperei gemeint

Auch SP-Justizsprecher Johannes Jarolim beurteilte die Auslegung als "höchst bedenklich". Im Gesetzestext werde beispielhaft angeführt, dass Verbrechen wie sexuelle Ausbeutung oder Schlepperei gemeint seien, betonte er. "Ich halte es für unverhältnismäßig und jedenfalls nicht dieser Bestimmung unterstellbar." Der Tierschutz sei ein gesellschaftlich anerkanntes Ziel, dem man auch mit an die Grenzen gehenden Maßnahmen zum Durchbruch verhelfen müsse, verglich der Politiker die Aktionen der angeklagten Aktivisten mit jenen der Organisation "Greenpeace".

Widerstand gegen die Staatsgewalt

Im Strafantrag der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt wird den Tierschützern die Bildung einer kriminellen Organisation, schwere Sachbeschädigung, vollendete und versuchte schwere Nötigung sowie Tierquälerei vorgeworfen. Auch von Widerstand gegen die Staatsgewalt ist die Rede. Die Angeklagten sollen seit 2006 Handelsketten "durch gefährliche Drohung mit Verletzungen am Vermögen zur Abstandnahme vom Handel mit Pelzen und Pelzprodukten bzw. zu entsprechender Änderung der Geschäftsstrategien" genötigt bzw. zu nötigen versucht haben. Unter den Angeklagten befindet sich der Obmann des Vereins gegen Tierfabriken (VGT). Dieser organisierte die Veranstaltung im Presseclub Concordia. (APA)