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Schlechte Zeiten für Verkäufer in Kiew. Der IWF hätte der ukrainischen Regierung mehr Spielraum geben sollen, so Kritiker.

Foto: Reuters/Konstantin Chernichkin

Der Großeinsatz des Internationalen Währungsfonds (IWF) habe zwar das Überleben der Staaten gesichert, die Wirtschaft in den einzelnen Ländern aber massiv beeinträchtigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Analyse des renommierten Washingtoner Center for Economic and Policy Research (CEPR). Der Befund bestätigt Kritiker, die dem Fonds zu strikte Auflagen und mangelnde soziale Kompetenz vorwerfen.

CEPR meint, dass im Rahmen der Programme für Lettland, Ungarn und die Ukraine zu viele Jobs geopfert worden seien. In der Ukraine habe der IWF auch zur politischen Destabilisierung beigetragen. 

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Wien - Nach dem Jahrestag des Zusammenbruchs der Investmentbank Lehman Brothers nähert sich das nächste spektakuläre Jubiläum in der Wirtschaftskrise. Im Oktober 2008 standen zahlreiche Staaten, allen voran in Zentral- und Osteuropa, am Rande des Bankrotts. Der Internationale Währungsfonds (IWF) eilte mit Milliardenkrediten zu Hilfe. Inzwischen sind die ersten umfassenden Analysen der IWF-Aktivitäten erschienen.

Das Urteil des Center for Economic and Policy Research (CEPR) fällt desaströs aus. Die Aktivitäten des Währungsfonds haben "die Lage schlimmer als notwendig gemacht" , heißt es in einem CEPR-Bericht über die Ukraine, Ungarn und Lettland, drei der am härtesten getroffenen Staaten. Hätte der IWF sensibler reagiert, wären weniger Jobs verloren gegangen und hätten Sozialleistungen weniger gekürzt werden müssen. Im Falle der Ukraine habe der IWF sogar zur politischen Destabilisierung des Landes beigetragen.

Die Debatte bringt neuen Schwung in eine alte Kontroverse. Dem Fonds wurde bei früheren Kriseninterventionen, etwa in den 90ern in Asien, unsoziale Härte vorgeworfen. Kritisiert wurden die Kreditkonditionen. Der IWF verlangte von Staaten Sparsamkeit und eine Marktöffnung.

Bei der aktuellen Krise hat der IWF stets auf seine Lernfähigkeit verwiesen und argumentiert, selbst keine strikten Reformen mehr vorzuschreiben.

Laut CEPR sei das gar nicht notwendig gewesen: Der Währungsfonds habe Ungarn, der Ukraine und Lettland eine unnötig harte Budgetdisziplin abverlangt und zum Teil das Ausmaß der Krise unterschätzt. Beispiel Ukraine: Der IWF gewährte Kiew im November 2008 eine Kreditlinie in Höhe von 16,4 Milliarden Dollar. Der IWF verlangte im Gegenzug eine Neuverschuldung von Null. Die Ukraine habe aber eine moderate Staatsverschuldung aufgewiesen: Die Gesamtschulden des Landes lagen um zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der Regierung in Kiew hätte erlaubt werden müssen, der Krise mit staatlichen Stimulus-paketen entgegenzuwirken, so die Kritik des Thinktanks. Ähnliches gelte für Ungarn und Lettland.

Im Falle der Ukraine kommt hinzu, dass zwischen Premier Julia Timoschenko und dem Staatschef wegen des Sparpaketes, dass der Ukraine auferlegt wurde, ein heftiger Streit tobt. Timoschenko lehnt eine vom IWF geforderte Gaspreiserhöhung ab; das habe die politische Lähmung des Landes verstärkt.

Zustimmung für die Kritik am IWF kommt grundsätzlich auch aus Wien. "Die Kriterien an die Ukraine waren unverständlich hart" , sagt etwa Vasily Astrov vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Astrov und sein Kollege Vladimir Gligorov geben aber zu bedenken, dass der IWF seine Konditionen mit der Zeit gelockert habe und allen drei Staaten höhere Defizite erlaubt hat.

Konjunkturprogramme wurden in der Ukraine, Ungarn und Lettland aber nicht aufgelegt, die höhere Verschuldung geht auf niedrigere Steuereinnahmen zurück.

Die Kritik wird auch bei der Jahrestagung des Währungsfonds, die am Mittwoch in Istanbul beginnt, für Diskussionen sorgen. Im Vorfeld des Treffens zeigte sich der IWF aber recht selbstzufrieden. In einem neuen, internen Bericht über die Programme heißt es, dass der Fonds mit seinen Krediten geholfen habe "die schlimmsten Folgen der Krise" zu bewältigen. Vor allem die flexiblere Gestaltung der Kredite wird als Fortschritt unterstrichen. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.9.2009)