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FDP-Chef Guido Westerwelle wird deutscher Vizekanzler.

Foto: AP /Frank Augstein

Selbst auf dem Münchener Oktoberfest war er schon durch und durch Außenminister. Als sich FDP-Chef Guido Westerwelle kurz vor der Wahl unter die bierselig-dampfenden Festgäste mischte, verzichtete er auf Tracht, sondern kam in seiner üblichen Uniform: dezentes Hemd, seriöse Krawatte. Nur nicht anbiedern, Kurs halten. Das tut der 47-Jährige schon so lange, und jetzt darf er endlich den Lohn einfahren: Er wird in der neuen schwarz-gelben Regierung Vizekanzler und Außenminister.

Als zum Regieren geboren haben ihn Weggefährten schon früher bezeichnet. Westerwelle, aufgewachsen in Bonn, zog sein Jus-Studium so hurtig durch, dass viele spotteten, er sei mit dem Aktenkoffer geboren worden. Anflüge von Rebellion wie lange Haare oder Drogenkonsum sind nicht bekannt. Mit 19 Jahren gründet er die Jungen Liberalen (Julis), mit 32 ist er bereits Generalsekretär der FDP.

Schon damals ist klar, dass Westerwelle nach Höherem strebt. Er verdrängt Parteichef Wolfgang Gerhardt und wird 2001 auch noch Vorsitzender der Liberalen. Doch indirekt proportional zu seinem Aufstieg verlaufen seine persönlichen Beliebtheitswerte. Westerwelle wird als eiskalter Yuppie taxiert, die FDP gilt als Partei der Porschefahrer und Zahnärzte. In dieser Zeit gibt es dann doch so etwas wie Auflehnung gegen das Polit- und Parteiestablishment: den Spaßwahlkampf 2002.

Er steigt in den TV-Container von "Big Brother", ruft sich zum Kanzlerkandidaten aus, tourt mit einem blau-gelben Wohnwagen ("Guidomobil") durchs Land und klebt sich sein Wahlziel (18 Prozent) auf die Sohlen der teuren Lederschuhe. Doch der Erfolg stellt sich nicht ein, und dann stürzt sich 2003 sein Vize Jürgen W. Möllemann mit dem Fallschirm in den Tod.

Das ist die Zäsur, auf einmal ist Schluss mit lustig. Der Überflieger zieht sich zurück und akzeptiert die Mühen der Ebene: Sacharbeit statt Party. Westerwelle erarbeitet ein neues Steuersystem mit niedrigeren Tarifen. 2005 widersteht er den Lockrufen von SPD und Grünen und lehnt die Ampel ab, lieber wartet er in Opposition auf Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Dadurch gewinnt er an Glaubwürdigkeit, was sich in vielen Landtagsergebnissen mit Zugewinnen niederschlägt. Seinen Partner Michael Mronz, einen Sportmanager, versteckt er heute auch nicht mehr. Im Moment hat Westerwelle das höchste Amt erreicht, das für einen Liberalen möglich ist. Bundespräsident kann er später natürlich noch werden. Gedacht hat er daran sicherlich schon.  (Birgit Baumann/DER STANDARD, Printausgabe, 29.9.2009)