Home Offices dürfen laut einem Psychologen nicht undifferenziert als schlecht für die Arbeitsleistung gesehen werden

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Bologna/Berkeley/Jena - Der "Kollegen-Effekt" bewirkt, dass die Arbeit im Team die Produktivität deutlich ansteigen lässt und das Home Office eine eher ablenkende Wirkung auf die Arbeitnehmer hat. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Erhebung der Universität Bologna, bei der sowohl im Labor als auch in der tatsächlichen Arbeitswelt nachgewiesen wurde, dass Arbeit zu Hause eher behindert als Vorteile schafft. Den Wissenschaftlern zufolge nimmt erst in der kollegialen Umgebung die Bereitschaft zu stärkerer Produktivität zu. So würden vor allem die Schwächeren im Team durch die Stärkeren mitgezogen und dadurch in ihrem Tun angespornt.

Die Fachleute weisen darauf hin, dass der "Team-Effekt" schon bei einfachen Tätigkeiten wie dem Eintüten von Briefen in Hinblick auf die Produktivität nachgewiesen werden kann. Denn die Probandenpaare zeigten sich zusammen deutlich schneller als wenn jeder einzeln vor sich hinwerkeln würde. Das Ergebnis überzeugt. Die Testpersonen verpackten im Schnitt deutlich mehr Briefe - in vier Stunden 221 gegenüber 190. Daraus leiteten die Wissenschaftler ab, dass die Anwesenheit eines Kollegen in der gleichen Aufgabe dazu führt, dass beide ein ähnliches Tempo entwickeln. Heruntergebrochen auf Sinn und Unsinn des Home Office ist dies ein wichtiger Aspekt.

Experte: "Ungestörter und kreativer"

"Dass Angestellte zum Beispiel in Großraumbüros produktiver und effizienter arbeiten als zu Hause allein, halte ich für falsch und nicht allgemeingültig. Es gibt genauso gut viele Studien, die das Gegenteil beweisen. Bewiesen ist auch, dass bestimmte Gruppen wie alleinerziehende Frauen in einer ruhigen Arbeitsumgebung viel besser arbeiten können", so Rüdiger Trimpop, Lehrstuhlinhaber für Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie an der Universität Jena. Dem Fachmann nach kann man sich zu Hause nicht nur ungestörter, sondern auch kreativer entfalten und seinem Tätigkeitsbereich widmen.

Teameffekt

Wie die Wissenschaftler mit der Studie "Clean Evidence on Peer Effects" herausfanden, lohnt es sich, einen besonders guten Mitarbeiter einzustellen und in ein Team zu integrieren. Er hebt nicht nur die Leistung der anderen Kollegen, sondern verbessert darüber hinaus auch noch die eigene Performance. "Der Effekt einer Kollegenumgebung hängt maßgeblich von der Branche und dem Grad der abverlangten Kreativität ab. Dass Home Offices undifferenziert als schlecht für die Arbeitsleistung gesehen werden, ist daher nicht richtig", sagt Trimpop. Auch müsse die individuelle Lebenssituation des Mitarbeiters berücksichtigt werden.

Aktuelle Erkenntnisse der Haas School of Business haben auch die hinter dem "Kollegen-Effekt" liegenden Ursachen sichtbar machen können. So arbeiten nur jene Kollegen schneller, die von Leistungsstarken gesehen werden können - nicht aber jene, die in deren Rücken sitzen. Außerdem nimmt der Effekt mit zunehmender Entfernung stark ab. Auch das Wissen, mit starken Kollegen im Team zusammenzuarbeiten, lässt die Motivation wachsen, schneller zu arbeiten. Aus dieser Erhebung namens "Peers at Work" schließt man, dass Teams produktiver sind, da sich die anderen von guten Kollegen unter Druck gesetzt fühlen. (pte)