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Deutsche Forscher bringen Gene in Verbindung mit der Schmerzwahrnehmung

Foto: APA/dpa/Ian Walton

Gene beeinflussen nicht nur das Aussehen und Verhalten, sondern auch wie wir Schmerzen wahrnehmen. Welche genetischen Faktoren für die Ausprägung von Nervenschmerzen entscheidend sind, untersucht der Deutsche Forschungsverbund Neuropathischer Schmerz (DFNS). Grundlage ist eine Blutproben-Bank mit DNA-Proben von knapp 800 betroffenen Patienten. Erste Ergebnisse präsentierten die Forscher beim Deutschen Schmerzkongress der DGSS in Berlin.
So fanden sie unter anderem eine bestimmte Genvariante, die paradoxe Hitzewahrnehmungen bedingt, so dass die Patienten kalte Reize als heiß wahrnehmen. Mehrere Risikogene für Nervenschmerzen sind identifiziert und werden weiter untersucht.

Gene erst seit kurzem verdächtigt

Aus der klinischen Erfahrung ist bekannt, dass sowohl die Empfindlichkeit gegenüber schmerzhaften Reizen als auch der Effekt schmerzstillender Medikamente individuell stark variieren. Diese Variabilität beruht auf vielen unabhängigen Faktoren, von denen einige der Umwelt und Situation des Patienten zuzuschreiben, andere genetischen Ursprungs sind. "Selbst vor einigen Jahren gab es noch große Zweifel, ob Gene Schmerzen in irgendeiner Form beeinflussen. Die Wissenschaft hat erst in jüngster Zeit die Bedeutung genetischer Aspekte im Entstehungsmechanismus von Schmerzerkrankungen sowie bei der Schmerzverarbeitung erkannt. 2006 wurde das erste Mal ein Gen, das GCH1, mit Nervenschmerzen in Verbindung gebracht", erklärt Thomas R. Tölle, TU München, gemeinsam mit Ralf Baron, Kiel, Sprecher des Forschungsverbundes DFNS.

Blutproben-Bank bildet Basis genetischer Analysen

Welche genetischen Faktoren genau auf die Schmerzverarbeitung und -chronifizierung einwirken, ist bisher noch wenig bekannt. Da sich diese Fragestellung nur an großen Kollektiven untersuchen lässt, hat der DFNS den Aufbau einer Blutproben-Bank initiiert. Diese enthält derzeit DNA-Proben von knapp 800 neuropathischen Schmerz-Patienten. Zusätzlich zu der DNA-Sammlung sind klinische Daten u. a. zur genauen Schmerzsymptomatik jedes einzelnen Patienten in einer zentralen Datenbank abrufbar. "Die Blutproben-Bank ermöglicht uns gemeinsam mit der zentralen Datenbank, dem Genotyp der Patienten auch einen Phänotyp zuzuordnen", erklärt Achim Berthele, TU München, der das zentrale DNA-Labor leitet. "Wir prüfen also, welche genetische Grundausstattung mit welcher Schmerzform einhergeht. Bei den genetischen Analysen verfolgen wir den so genannten Kandidatengen-Ansatz." Als Kandidatengene bezeichnet man Gene, die möglicherweise mit dem Auftreten von Krankheiten wie neuropathischem Schmerz zusammenhängen.

Erste Ergebnisse

Erstmals belegt werden konnte, dass alle Patienten mit einer bestimmten genetischen Variante eindeutig unter paradoxer Hitzeempfindung litten, wobei sie kalte Reize als heiß empfinden. Bisher ebenfalls unbekannt war, dass Patienten der ersten Kategorie mit einer bestimmten Variante die Berührung mittels dünner Nylonfilamente verstärkt wahrnahmen und dass ein anderer Polymorphismus mit einer verstärkten Wahrnehmung von Kältereizen einherging. Analysen zu weiteren Kandidatengenen stehen kurz vor dem Abschluss.

Mit Netzwerken gegen den Schmerz

Die Blutproben-Bank soll in den kommenden Jahren noch erweitert werden. Kooperationen mit europäischen und internationalen Partnern sind auf dem Wege. Ziel ist, die Datenbank zu einer multipel abfragbaren Ressource für genetische Analysen auszubauen, um künftige Studien zur Untersuchung genetischer Komponenten der Schmerzempfindung zu gewährleisten. Langfristige Hoffnung ist es, Risikogene für die Entwicklung einer chronischen neuropathischen Schmerzerkrankung zu identifizieren. Mit dem Wissen um genetische Faktoren ließen sich die Entwicklung des Schmerzsyndroms und das verminderte Ansprechen auf bestimmte medikamentöse Behandlungen vorhersagen - und auf diese Weise die Therapie optimieren. (red, derStandard.at)