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Jetzt könnte es eng werden für den italienischen Premier ...

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... Der Verfassungsgerichtshof kippt das Immunitätsgesetz. Die Folge: Prozesse gegen Berlusconi können wieder aufgenommen werden.

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Rom - Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi wird sich wohl wieder vor Gericht verantworten müssen: Ein von ihm initiiertes Gesetz, das ihn vor jeglicher Strafverfolgung schützen sollte, ist am Mittwoch vom Obersten Gericht des Landes gekippt worden. Es verletze den Verfassungsgrundsatz, dass jeder Mensch vor dem Gesetz gleich sei, hieß es in Justizkreisen. Mit der Entscheidung des Gerichts, könnten gleich mehrere Prozesse gegen den Politiker wieder aufgenommen werden. Dabei geht es sowohl um Steuerhinterziehung als auch um Korruptionsvorwürfe.

Berlusconi wird wieder angreifbar

Mindestens zwei Prozesse würden automatisch wiedereröffnet, sagte Franco Pavoncello, Politikprofessor an der John-Cabot-Universität in Rom. "Er war unangreifbar, und er wird jetzt wieder angreifbar", sagte er. Dazu komme noch der Sex-Skandal um den Ministerpräsidenten. Für seine Verbündeten werde sich nun die Frage stellen, ob es sich lohne, für Berlusconi zu kämpfen.

Tito Boeri, Wirtschaftsprofessor an der Mailänder Bocconi-Universität sagte, für Italien sei dies eine schlechte Nachricht. Berlusconi sei schon eine "lame duck" (lahme Ente) an der Spitze einer schwachen Regierung. Dies werde nun noch schlimmer. Gleichzeitig brauche Italien dringend Reformen, um die Wirtschaft in Gang zu bringen. Berlusconi werde sich nun noch weniger darauf konzentrieren.

Das Immunitätsgesetz schützte auch den Präsidenten des Landes und die Parlamentspräsidenten. Es war aber auf Berlusconi zugeschnitten, der in mehreren Verfahren wegen Betrugs und Korruption angeklagt war.

Prozesse gegen Berlusconi können wieder eröffnet werden

Der Rechtsanwalt Berlusconis, Gaetano Pecorella, betonte, dass das Urteil der Verfassungsrichter keine politischen Auswirkungen für die Regierung Berlusconi haben werde. "Nach dem Urteil können lediglich die Prozesse gegen Berlusconi wieder eröffnet werden", so Pecorella.

Gesetz im Juli 2008 durchgepeitscht

Das Immunitätsgesetz war trotz des heftigen Widerstands der Opposition im Juli 2008 im Parlament durchgepeitscht worden. Dem skandalgeschüttelten Berlusconi blieb somit bisher die Wiederaufnahme einiger Verfahren erspart, die nach dem Urteil der Verfassungsrichter wieder geöffnet werden können. In einem besonders aufsehenerregenden Prozess müsste sich der 73-Jährige in Mailand wegen Beeinflussung von Justizbehörden verantworten.

Für Falschaussagen bezahlt

Berlusconi wird vorgeworfen, seinen früheren Anwalt David Mills für Falschaussagen in Prozessen in den 90er Jahren bezahlt zu haben. Mills war im Februar zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Auch Berlusconi wurde in dem Fall angeklagt, das Verfahren wurde jedoch im Oktober 2008 auf Grundlage des Immunitätsgesetzes ausgesetzt.

Bereits 2004 war ein Immunitätsgesetz vom Verfassungsgericht gekippt worden, das eine frühere Regierung Berlusconis verabschiedet hatte. Erst vor wenigen Tagen musste Berlusconi eine empfindliche Schlappe vor Gericht einstecken. Seine Fininvest-Holding wurde zu einer Entschädigungszahlung von 750 Millionen Euro verurteilt, weil bei der umstrittenen Übernahme des Mondadori-Verlags vor 20 Jahren drei Vertraute des Regierungschefs einen Richter bestochen haben sollen. Berlusconi zeigte sich nach dem Urteil "erstaunt" und betonte, er werde sein fünfjähriges Regierungsmandat erfüllen.

Berlusconis Sprecher protestiert

Paolo Bonaiuti, Sprecher des italienischen Premierministers Silvio Berlusconi, hat am Mittwoch das Urteil der Verfassungsrichter scharf kritisiert. "Es handelt sich um ein politisch motiviertes Urteil. Berlusconi lässt sich nicht beeinflussen und regiert weiter, wie es die Italiener fordern", meinte Bonaiuti.

Opposition feiert

Die oppositionelle PD (Demokratische Partei), Italiens stärkste Oppositionskraft, begrüßte das Urteil des Verfassungsgerichts über das Immunitätsgesetz. "Endlich geht eine Ära zu Ende. (Premierminister Silvio) Berlusconi kann nicht mehr unbekümmert Gesetze für sich selbst über die Bühne bringen", kommentierten Parlamentarier der PD. Der Kandidat für den PD-Vorsitz, Pier Luigi Bersani, meinte, Berlusconi sollte weiterhin als Premierminister amtieren, aber sich vor Gericht verantworten. Er gab somit zu verstehen, dass seine Partei nach dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht vorgezogene Parlamentswahlen verlangen wird. Abgeordnete der Grünen sprachen von einem Sieg der Demokratie.

Vor der Urteilsverkündung hatte der Chef der mit Berlusconi verbündeten rechtspopulistischen Partei Lega Nord, Umberto Bossi, mit eklatanten Worten für Aufregung in Rom gesorgt. "Sollte das Verfassungsgericht das Immunitätsgesetz für rechtswidrig erklären, würden wir uns einschalten und das Volk mit uns reißen. Das Volk ist mit uns", sagte Bossi.

Der Minister für die Umsetzung des Regierungsprogramms, Gianfranco Rotondi, kritisierte die Attacken der Opposition gegen Berlusconi. "Jeder Versuch, die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen, ist ein Zeichen der tiefen Schwäche der Opposition", meinte Rotondi. (APA)