In Österreich schaffte es Christina Stürmer, die Japaner begeistern sich für AKB48: Die Mädels verstehen sich auf präzises Synchronsingen und -tanzen und erfreuten damit Fernsehzuschauer einer japanischen Talenteshow.

Foto: Mipcom

Zwanzig Prozent weniger Aussteller als in den Jahren zuvor, schätzen die Besucher der Fernsehmesse Mipcom. In etwa ebenso hoch sei der Rückgang der Besucher, vermuten die Aussteller. In den fünf Ebenen des Palais des Festivals ist davon wenig zu bemerken. An den mehr als 600 Ständen umschwirren Produzenten von neun bis 19 Uhr Interessenten, laden zum Gespräch oder zum Gustieren: Prospekte, Folder, steinschwere Kataloge, DVDs, USB-Sticks. Erfahrene Mipcom-Besucher kommen mit Trolley. Damit kann man später bequem eine der unzähligen Cocktailparties an Land oder in einer der Luxusyachten im Hafen entern. Dass weniger kommen, sei kein Nachteil, meint Filmproduzent Heinrich Mayer, Chef der österreichischen Interspot. Denn: „Die Grundstimmung ist besser als im Frühjahr." 

"Universum" für Thailand

"Die Teams der Einkäufer schrumpfen", bemerkt ORF-Chefverkäuferin Beatrice Riesenfelder. Dafür seien die Gespräche "zu 90 Prozent erfolgversprechend", sagt sie. 50 bis 100 Universum-Folgen gehen an Thailand, China interessiere sich für Vier Frauen und ein Todesfall und den Winzerkönig. Rumänien will Wolfgang Murnbergers Der schwarze Löwe. Vor allem Fiction geht: Die Sender müssen sparen und sind auf Kaufware angewiesen. So ergibt sich das Paradoxon, dass in Krisenzeiten, laut Riesenfelder, „überdurchschnittlich" verkauft wird. 

Die Trends, zusammengefasst: Reality-TV schwächelt, dafür gewinnen international kompatible Fiction und Dokumentationen. Mit der Tendenz zu Koproduktionen läuft das auf einen gut abgestimmten Allerweltsgeschmack hinaus. Dabei wird freilich kaum gespart.

Die teuerste Fernsehserie aller Zeiten hält Jan Mojtos Betafilm mit The Borgias: 30 Millionen für zwölf Teile. Mojto setzt seit Jahren auf Koproduktion mit Sendern aus aller Welt und profitiert vom allgemeinen Kuschelkurs. Je 13 Millionen stecken in Hindenburg und Laconia, einer Miniserie über den Zweiten Weltkrieg. „Es müssen Stoffe sein, die bekannt sind", erklärt Mojto sein Konzept. Seine Sisi, Herbert Kloibers Moby Dick sowie die opulenten Säulen der Erde des kanadischen CBC erfüllen diese Voraussetzungen vermutlich optimal. Bei allen ist der ORF an Bord. 

Über weniger ORF-Aufträge klagt epo-Chef Nikolaus Wislak. Österreichs Produzenten suchen ebenfalls Partner in anderen Ländern. Fixfertige Filme über knapp 60 Millionen Euro liegen im ORF. Aufgrund von Abschreibungsmodalitäten werden erhebliche Kosten erst bei Ausstrahlung fällig. Die 50 Millionen Euro, die dem ORF an Gebührengeldern entgehen, soll nach Wunsch des Filmverbands FAF nicht der ORF bekommen, sondern die Medienbehörde RTR.

In Cannes eingekauft hat Serienchefin Andrea Bogad-Radatz die Krankenschwesternserie Nurse Jackie. Courtney Cox in Cougar Town steht auf der Wunschliste. Geklotzt wird nicht nur bei Fiction, sondern auch bei Dokumentationen: 30 Stunden Interviews mit dem Nazi-Bürokraten Adolf Eichmann verfilmt die ARD. Spiegel-TV bearbeitet Nazi-Post in Briefe an Onkel Hitler. Aufsehen erregt das ZDF mit einer Film über Natascha Kampusch, in dem das Entführungsopfer durch ihr Verlies führt - zu sehen voraussichtlich nächstes Jahr. Frankreichs öffentlich-rechtliches Fernsehen investierte Millionen in den Sechsteiler Apocalypse über den Zweiten Weltkrieg. Ganz sicher Käufer wird Fance Télévisions mit Carla Bruni-Sarkozy in The Birth of a First Lady finden. 

Ekelshows passé

Deutlich weniger Reality-TV wird angeboten, Ekelshows sind überhaupt passé. Sogar die sonst wenig zimperlichen Japaner und Koreaner begeistern sich nur noch für Castingshows. Jüngstes Produkt des Interesses: Die Teenieband AKB 48. Die Girlies unterhalten durch präzises Synchronsingen und -tanzen: Punktgenau gesetzte Bewegungen vermitteln gute Laune in einem durchwachsenen Markt.

Anders als bei den Filmfestspielen ist der Starrummel bei der Mipcom überschaubar: Friends-Darstellerin Lisa Kudrow, die Comedians Joan Rivers und Jerry Seinfeld bewerben Shows ohne großes Brimborium. Umjubelt hingegen Matt Groening, legendärer Simpsons-Erfinder: Die gelbe Familie feiert den zwanzigsten Geburtstag auf den Stufen des Grand Palais.

Der Bürgermeister von Cannes erklärt den Mittwoch offiziell zum „Simpsons Day". Für Groening zahlte sich die Visite bereits aus: Bei der Pressekonferenz fällt eine überlebensgroße Pappfigur des Inders Apu auf einen der Journalisten: "Das verwenden wir für die nächste Folge", strahlt er. (Doris Priesching aus Cannes, DER STANDARD; Printausgabe, 8.10.2009)