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Bei der Tatrekonstruktion sagte der zweite beteiligte Jugendliche, er und sein Freund seien geflüchtet - die Aussage wurde erhärtet

Foto: APA/HERBERT P. OCZERET

Krems - Fix ist, dass in der Nacht vom 4. auf den 5. August in einem Supermarkt in Krems ein 14-jähriger mutmaßlicher Einbrecher von einem Polizisten erschossen worden ist. Aus Notwehr? Das sagen die beiden Beamten. Auf der Flucht? Das sagen die Hinterbliebenen und deren Anwältinnen. Und nun offenbar auch die Gutachter, die dem Vernehmen nach die Verteidigungsposition der Exekutive zerbröseln lassen.

Spurenauswertung scheint Aussage zu widerlegen

Die Oberösterreichischen Nachrichten und der Kurier hatten darüber berichtet, dass die Expertise die Beamten schwer belastet. Am Mittwoch wurden weitere Details bekannt. Die Angabe des Polizisten, der den tödlichen Schuss in den Rücken des Teenagers abgegeben hat, scheinen mit den wissenschaftlichen Auswertungen der Spuren durch einen Ballistiker, einen Chemiker und einen Gerichtsmediziner widerlegt.

Der Mann hatte stets behauptet, von zwei Vermummten attackiert worden zu sein und in Notwehr geschossen zu haben. Bei der Tatrekonstruktion vor einem guten Monat beteuerte er, er habe sich hingekniet und auf die Angreifer gezielt, sei durch ein Geräusch kurz abgelenkt worden, der Schuss habe sich gelöst, und als er aufsah, habe er erkannt, dass sich der Jugendliche mittlerweile weggedreht hatte.

Ganz anders stellen das laut Austria Presse Agentur die Gutachter dar. Der Schütze habe stehend aus 1,8 bis zwei Metern Entfernung auf den flüchtenden 14-Jährigen gefeuert. Bestätigt wird offenbar auch, was die Opferanwältinnen Eva Plaz und Nadja Lorenz stets behauptet haben: Entgegen der Aussagen der Polizisten war es am Tatort nicht stockdunkel, sondern die Lichtverhältnisse durchaus ausreichend.

Staatsanwaltschaft will Expertisen nicht kommentieren

Bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Korneuburg will man die Expertisen nicht kommentieren. "Es wird sicher einige Tage dauern, bis die Kollegin ihre Schlüsse aus den Gutachten gezogen hat", sagt Sprecher Karl Schober. "Dann muss ein Vorhabenbericht erstellt werden, der an die Oberstaatsanwaltschaft und schließlich ans Justizministerium geht - wann eine Entscheidung fällt, kann ich nicht sagen."

Anwältin ohne Gutachten 

Opferanwältin Eva Plaz will vorerst keine Stellungnahme abgeben. "Ich habe das Gutachten bisher nicht bekommen, kann daher auch nichts zu den Inhalten sagen." Von Hans-Rainer Rienmüller, Verteidiger der beiden Polizisten, war bis Redaktionsschluss keine Reaktion auf das Gutachten zu erhalten.

Auf ihn könnte aber deutlich mehr Arbeit zukommen, als er gedacht hat. Denn kommt die Staatsanwältin zum Schluss, dass es sich tatsächlich nicht um die reine Notwehr gegen einen unmittelbaren Angriff gehandelt hat, könnte das eine deutlich höhere Strafe bedeuten.

Bisher ging es im Falle einer Anklage maximal um fahrlässige Tötung im Zuge einer Notwehrüberschreitung. Nun sind aber auch ein Prozess wegen schwerer Körperverletzung mit tödlichen Ausgang oder aber absichtlicher schwerer Körperverletzung mit Todesfolge (Strafrahmen jeweils bis zu zehn Jahre) vorstellbar. (moe, DER STANDARD Printausgabe 8.10.2009)