Kopenhagen - Jacques Rogge bleibt für weitere vier Jahre "Herr der Ringe". Ohne Gegenkandidat wurde der 67-jährige Belgier am Freitagvormittag in Kopenhagen wie erwartet als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) wiedergewählt. Nach acht Jahren im Amt wird der ehemalige Chirurg aus Gent als wohl letzter Amateur an der Spitze der wichtigsten Sportorganisation der Welt jetzt bis 2013 die Geschicke des IOC leiten.
Auf geheimer Abstimmung bestanden
"Die olympische Bewegung ist stärker und vereinter denn je. Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben, aber jetzt gilt der Blick der Zukunft. Es gibt noch viel zu tun", erklärte IOC-Boss. Rogge hatte auf eine Mandatsverlängerung per Akklamation verzichtet und auf einer geheimen Abstimmung bestanden. Um 8.42 Uhr war die wenig spektakuläre Wahl der 121. IOC-Vollversammlung vorbei: Rogge erhielt 88 Ja-Stimmen der anwesenden 93 IOC-Mitglieder.
Seine potenziellen Nachfolger, der Deutsche Thomas Bach und Richard Carrion aus Puerto Rico, gehörten zu den ersten Gratulanten. "Dank Ihrer Führungsqualitäten ist die olympische Bewegung stärker denn je. Sie sind ein großartiger Präsident", lobte IOC-Ehrenpräsident Juan Antonio Samaranch, von dem Rogge am 16. Juli 2001 als achter IOC-Boss die Regentschaft übernommen hatte.
Keine zwei Monate später war er nach dem Terroranschlag am 11. September in New York zum ersten Mal als Krisenmanager gefordert. Der frühere Chirurg und Orthopäde war mit edlen Plänen angetreten. Ein Reformer wollte er sein, die Korruption bekämpfen, den Gigantismus eindämmen, den Dopingsumpf trockenlegen, die Frauenquote erhöhen und das olympische Programm modernisieren. Eine moralische Erneuerung war nach dem größten Bestechungsskandal der IOC-Geschichte 1999 dringend nötig.
Dopingkampf
Mit Eloquenz, Transparenz und Integrität verschaffte der charismatische Rogge der Weltregierung des Sports neues Ansehen. Als ehemaliger Olympia-Segler und Rugby-Nationalspieler kennt er das Seelenleben der Athleten, als ehemaliger Mediziner steht er für Glaubwürdigkeit im Anti-Doping-Kampf. Rogge weiß, dass Olympia nur durch ein konsequentes Vorgehen gegen Pharmabetrug überleben kann.
"Als ich das Amt von Samaranch übernommen habe, wollte ich vor allem die olympischen Werte wieder in den Vordergrund stellen. Deshalb habe ich den Anti-Doping-Kampf zur obersten Priorität gemacht", sagte er. Vier Olympische Spiele (Salt Lake City 2002, Athen 2004, Turin 2006, Peking 2008) hat er seitdem als Präsident erlebt und dabei einen Wandel vom Idealisten zum Pragmatiker durchgemacht.
Auch bittere Niederlagen
Nicht nur bei seinen ersten Versuchen, das Problem der Programmgestaltung zu lösen, steckte er aber bittere Niederlagen ein. Vor den Peking-Spielen, die er von Samaranch "geerbt" hatte, musste Rogge sogar öffentlich eine Krise eingestehen. Politiker, Spitzenfunktionäre und die Weltpresse warfen ihm Führungsschwäche vor, weil er die Teilenteignung der Spiele gestattet und den chinesischen Olympia-Machern verbal "Streicheleinheiten" verabreicht hatte. Auch für die Vergabe der Retortenspiele 2014 an Sotschi, an Wladimir Putin und dessen mächtige Oligarchen-Freunde, wurde Rogge verantwortlich gemacht, doch schon davor hatte der Vielgescholtene eine Kurskorrektur vorgenommen. Rogge setzte auf das Geld.
Konsequent ging er den kommerziellen Weg von Samaranch weiter. Mit steigenden Umsatzzahlen hielt er seine Kritiker still und stellte die olympische Familie zufrieden. Als Dankeschön für die Rekordeinnahmen bekam der smarte Taktiker sogar sein umstrittenstes Projekt durch: Die olympischen Jugendspiele sollen jetzt sein Vermächtnis werden. "Ich kann sagen, ich befinde mich in einer angenehmen Situation - und das IOC auch", sagte er stolz.
Neuer Präsident 2013
Den neuen Richtlinien des IOC gemäß darf ein IOC-Präsident nach einer ersten Amtszeit von acht Jahren in seiner zweiten nur noch vier Jahre und demnach insgesamt zwölf Jahre im Amt sein. Jacques Rogge, der achte Präsident in der Geschichte des IOC, wird die Führung damit 2013 an einen Nachfolger übergeben. Rogges Vorgänger Juan Antonio Samaranch war noch 21 Jahre im Amt gewesen.
"Wir werden weiterhin außergewöhnliche Spiele ausrichten. Wir werden unsere Stärken bewahren und ausbauen", versprach Rogge. Sein Hauptaugenmerk will der Belgier neben dem Kampf gegen Doping auch auf die neue geschaffenen Olympischen Jugendspiele richten. "Wir werden diese Initiative von den Kinderschuhen bis zur Reifeprüfung bringen und der Jugend der Welt damit ein nachhaltendes Erbe hinterlassen", sagte Rogge über seine eigene Erfindung.
Die ersten Sommerspiele für Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren finden kommenden August in Singapur statt, die ersten Winterspiele der Jugend folgen 2012 in Innsbruck. Die Teilnehmerzahlen sind begrenzt. Im Sommer sollen lediglich 3.500, im Winter rund 1.000 Jugendliche an den Spielen teilnehmen dürfen. Das IOC übernimmt einen Großteil der Kosten.
2016 Comeback von Golf und Rugby
Golf und Rugby feiern in sieben Jahren ihr Olympia-Comeback. Mit großer Mehrheit stimmte die 121. IOC-Vollversammlung der Wiederaufnahme beider Sportarten ins Programm der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro zu. Damit wird das Olympia-Programm wieder auf 28 Sportarten aufgestockt. Nach der Abwahl von Baseball und Softball werden bei den Spielen 2012 in London nur 26 Sportarten ausgetragen.
Sieben Sportarten hatten sich um die Aufnahme ins olympische Programm beworben. Im August hatte die IOC-Exekutive Golf und Siebener-Rugby zur Empfehlung an die Session ausgewählt und gleichzeitig Karate, Squash, Inline Skating, Baseball und Softball eine Absage erteilt. Die "Sieger" werden reich belohnt: Jeder Verband, der bei Olympia vertreten ist, darf mit einer IOC-Subvention von mindestens 15 Millionen US-Dollar rechnen. (APA/dpa)