Kairo/Riad - Der Großscheich der Kairoer Universität und Moschee Al-Azhar, Mohammed Sayed al-Tantawi, die höchste theologische Autorität im sunnitischen Islam, hat mit einer Schimpftirade gegen den Gesichtsschleier den Zorn konservativer Kreise auf sich gezogen. Der saudiarabische Scheich Mohammed al-Nojaimi vom Institut für islamische Rechtswissenschaft in Jeddah (Dschidda), sagte nun im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur, er hoffe, dass Tantawi seine Meinung ändern werde, "denn sonst wird dies die ägyptische Gesellschaft in zwei Lager spalten".

Mit ihren Fatwas (religiösen Rechtsgutachten) bestimmt Al-Azhar maßgeblich soziale und ethische Belange von etwa einer Milliarde SunnitInnen. Tantawi, der 43. Großscheich von Al-Azhar, hatte unter anderem Massendemonstrationen gegen die dänischen Mohammed-Karikaturen angeführt. Er verdammte den Al-Kaida-Terrorismus als antiislamisch, bekundete aber Verständnis für den antiamerikanischen Widerstand im Irak.

Tantawis Behauptung sei falsch

Tantawis Behauptung, das Tragen des Gesichtsschleiers (arabisch "Nikab") sei eine Tradition, die mit dem Islam nichts zu tun habe, sei falsch, so Nojaimi. "Der Nikab ist in den Berichten über die Überlieferungen des Propheten erwähnt. Dort heißt es, dass die muslimische Frau den Gesichtsschleier nur während der Zeit der Wallfahrt nach Mekka nicht tragen solle, und das beweist doch, dass sie ihn außerhalb dieser Zeit getragen hat", fügte er hinzu.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Abgeordnetengruppe der Muslimbruderschaft im ägyptischen Parlament, Hamdi Hassan, hat Tantawi heftig kritisiert. Die Muslimbruderschaft (Jamiat al-Ikhwan al-Muslimun), stärkste oppositionelle Kraft in Ägypten, ist offiziell verboten. (APA)