Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/ Bernd Weißbrod dpa

Welchen streng geheimen Codenamen die Literatur-Nobelpreis-Juroren für Herta Müller gewählt hatten, ist nicht durchgesickert (der ihres französischen Vorgängers Jean-Marie Le Clézio lautete jedenfalls "Chateaubriand"), wohl aber ihre Rolle als Favoritin. In den letzten Stunden vor Bekanntgabe rangierte neben ihr nur mehr der Israeli Amos Oz an der Spitze der Wettlisten.

Nur Herta Müller, die 2001 erstmals ins Nobelpreis-Gerede kam, wollte das bevorstehende Glück bis zuletzt nicht glauben: "Ich habe mich nie mit Hitlisten oder Favoriten befasst, wie oft ist Philip Roth genannt worden. Ich mache meine Arbeit. Natürlich habe ich nichts gegen eine Auszeichnung, aber ich fiebere nicht. Ich habe so viele Nerven schon seinerzeit verloren, ich bin abgebrüht."

Geboren am 17. August 1953 im deutschsprachigen Nitzkydorf in Rumänien, studierte die Tochter eines SSlers zunächst rumänische und deutsche Literatur in Temeschwar; ab 1976 arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, wo sie, so jedenfalls plante es der rumänische Geheimdienst Securitate, ihre Kollegen ausspionieren sollte. Außerdem hofften die Geheimdienstler, an Müllers Freunde heranzukommen: rumänische Autoren und Intellektuelle, die sich für freie Meinungsäußerung engagierten. Müller verweigerte die Kollaboration, wurde entlassen und hielt sich ab 1979 als Gelegenheitslehrerin über Wasser.

Geistiges und seelisches Überlebensmittel wurde das Schreiben: Über die Gewalt- und Unterdrückungsmechanismen der (Ceausescu-) Diktatur, über ihre Kindheit in der rumänischen Provinz, über das Zusammenleben im Dorf und die stete Angst vor Denunziation, über die Gefahren, denen man ausgesetzt war, wenn man sich nicht anpasste; über das Leben und Sterben in den Lagern.

Belegt mit Arbeits- und Publikationsverbot sowie nach unzähligen Hausdurchsuchungen, Verhören und Todesdrohungen emigrierte die Erinnerungskünstlerin 1987 mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Richard Wagner, nach Berlin.

Als sie von der Schwedischen Akademie informiert wurde, habe sie ein herrliches Lachen gelacht: "Ihr fehlten ganz einfach die Worte. Aber sie versprach, dass sie bei der Verleihung in Stockholm am 10. Dezember die Sprache wiedergefunden hat." Müllers 84-jährige Mutter hatte die ihre jedenfalls rasch gefunden: "Ich bin stolz auf sie und freue mich sehr, dass sie es geschafft hat. Sie wollte doch immer etwas erreichen." (Andrea Schurian / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.10.2009)