Wien - Die Tourismusbranche geht viel zu wenig auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung ein und lässt deshalb viel Geld liegen. Das zeigt eine Studie, die an der Universität Surrey in Großbritannien gemacht worden ist. Demnach gibt es in Europa ein ungenutztes Potenzial von 134 Millionen Menschen, die auf Reisen gut 80 Milliarden Euro auszugeben bereit sind. Dazu müssten Destinationen aber überwiegend barrierefrei sein. Das ist aber nur in Ansätzen der Fall.

"Es geht nicht allein um rollstuhlgerechte Anpassung der Infrastruktur. Es geht um die Zugänglichkeit sämtlicher Angebote für alle Menschen", sagte der Experte für barrierefreien Tourismus, Peter Neumann anlässlich eines Kongresses über barrierefreien Tourismus in Wien. Barrierefreiheit sei für 30 Prozent der Menschen notwendig und für hundert Prozent der Gäste komfortabel.

Vorbild Japan 

Neumann, der an der Universität Münster lehrt, Tourismusunternehmen berät und dieser Tage an einem Kongress in Wien teilnahm, spricht lieber von "Design für Alle" statt von Tourismus für Behinderte. Neumann: "Barrierefreier Tourismus muss sexy sein." Was für Senioren gelte, treffe auch auf Menschen mit Behinderung zu: Sie wollten nicht in ein Eck gestellt werden. Japan sei in dieser Hinsicht vorbildlich. Die Länder Europas, die viel für Menschen mit Behinderungen machen - Österreich, Deutschland und die skandinavischen Länder zählen dazu - sollten sich daran messen.

Von Beschriftungen und Durchsagen in öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu Details im Badezimmer finde man in weiten Teilen Japans ein durchgehendes Angebot, das den Urlaub weniger beschwerlich und die Bewältigung des Alltags leichter mache. "Insellösungen" seien in Japan nicht zu finden.

"Es geht um vergleichsweise einfache Sachen wie den Ersatz von Dreh- durch Automatiktüren, das Anbringen von Handläufen, mehr Großzügigkeit bei Aufzügen. Es geht aber auch um Innovationen", sagte Neumann. Darin eröffne sich eine große Chance für Europas Industrie, trotz gesättigter Märkte zu wachsen. (Günther Strobl, DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2009)