V.l.n.r: Alexander Mitteräcker (derStandard.at), Petra Höfer (ORF Enterprise), Tanja Sourek (Telekom Austria), Matthias Ehrlich (United Internet Media) und Eugen A. Russ (Vorarlberger Medienhaus).

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Das Internet hat Fernsehen als Werbeträger überholt. Nicht in Österreich, sondern in Großbritannien, wo der Online-Bereich bereits 23 Prozent der gesamten Werbevolumens generiert. Mit vier bis fünf Prozent ist man hierzulande noch ein ordentliches Stück von solchen Zahlen entfernt. Das Potenzial ist da, die Branche optimistisch: "Wir befinden uns mit Online auf der Siegesspur", sagt Eugen Russ, Chef vom Vorarlberger Medienhaus, bei einer Podiumsdiskussion bei der Österreichischen Medienmesse. Aber, räumt Russ ein, der Weg ist noch lange. Denn: "Wir sind erst in der Steinzeit angelangt", so der Verleger, der das jetzige Angebot mit dem von TV in den 50er Jahren vergleicht.

An einem Strang ziehen

Dass die Wirtschafts- und Werbekrise nicht spurlos an Online-Medien vorübergeht, sagt auch Alexander Mitteräcker, Geschäftsführer von derStandard.at: "Wir verlieren Umsatz, sind aber ganz gut im Vergleich." Aufgrund der guten Wachstumsprognosen schaue man zuversichtlich in die Zukunft. Mitteräcker appelliert an die Branche, bei der Werbung an einem Strang zu ziehen: "Es sollten alle nur mehr nach Tausender-Kontakt-Preis verkaufen und nicht nach Cost per Click-Modellen." Wie etwa Google.

Clicks irrelevant

Die Clickperformance könne nicht als einzige Messlatte für den Kampagnenerfolg dienen, meint auch Petra Höfer, Vermarkterin bei der ORF Enterprise. Sie kritisiert, dass Online nach wie vor nicht in jedem Mediaplan integriert ist. Von den Werbeagenturen erwartet sich Höfer, dass die Kampagnen "breiter" konzipiert werden. "Und zwar für alle Kanäle", so die Vermarkterin. Einfach nur eine Idee, ausgehend von einem Leitmedium, die verschiedenen Medien "hinunterzudeklinieren", hält sie für nicht zielführend.

Bis jetzt, gibt Telekom Austria-Marketingleiterin Tanja Sourek zu, ist das Internet nicht das Leitmedium. Kampagnen werden bis dato rund um TV oder Print kreiert. Obwohl die Telekom zu den größten Online-Werbespendern in Österreich gehört, hat das Web zwar für das Unternehmen eine "hohe Relevanz", aber noch nicht jene, die es eigentlich verdienen würde. Laut Sourek ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis es eigene Online-Kampagnen der Telekom geben wird. „Ich kann mir vorstellen, dass wir in Zukunft das Internet als Leitmedium einsetzen werden."

Kein "Aberkaufsmedium"

Einen Trend, möglichst billig zu werben, ortet Matthias Ehrlich von United Internet Media. Einem deutschen Vermarkter, der in Österreich zum Beispiel gmx.at im Portfolio hat. Er will Online nicht als reines "Aberkaufsmedium" begreifen, sondern als qualitativ hochwertigen Kanal. Die Zeiten, als man das Internet bei Printwerbung einfach noch „draufgelegt" hat, sind zwar vorbei, dennoch identifiziert Ehrlich noch Akzeptanzprobleme. Gerade in Bezug auf die Werbewirkung, die noch viel besser erforscht gehöre. Gute Erkenntnisse existieren etwa schon bei Bewegtbildern. "Es gibt keine Wirkungsunterschiede zwischen TV- und Online-Spots", sagt Ehrlich und plädiert für crossmediale Werbestrategien: "Der Mensch rezipiert besser, wenn er die Botschaft über unterschiedliche Kanäle empfängt."

Eigene Identität aufbauen

Gegen eine zu enge werbliche Verzahnung von Print und Online spricht sich Eugen Russ aus. "Online wird so zu einem reinen Anhängsel von Print", befürchtet er. Eine "eigene Identität" bleibe auf der Strecke. Die Strategie des Vorarlberger Medienhauses sei, mit reinen Internet-Angeboten zu reüssieren. Wachsen wolle man qualitativ und nicht quantitativ. "Es wäre leicht, einfach die Unique Clients zu verdoppeln", sagt Russ. Im Fokus stehe aber die Zielgruppe. Skeptisch zeigt er sich in puncto mobiler Vermarktung: "Es existiert hier noch kein Business-Modell, das funktioniert." Potenzial für Werbemöglichkeiten sieht er maximal beim I-Phone.

Im Gegensatz zu Russ prognostiziert Alexander Mitteräcker der mobilen Vermarktung eine viel versprechende Zukunft. "Wir sind momentan ausgebucht", meint er zu den mobilen Werbeformen, die derStandard.at im Repertoire hat. Natürlich, so der Geschäftsführer, stecke diese Art der Reklame noch in den Kinderschuhen. Das "gute Feedback von Kundenseite" - gepaart mit der immer besser werdenden Technik - stimme aber optimistisch.

Schranken für orf.at

"Wir haben ein gemeinsames Ziel", sagt Petra Höfer, "nämlich den Markt zu bearbeiten". Dass orf.at den Mitbewerbern das Wasser abgräbt, glaubt sie nicht: "Es gibt Schranken, die wir uns selbst auferlegen." Etwa nur ein Werbemittel pro Seite oder keine Integration von Suchanzeigen. Eugen Russ ist das zu wenig: "Es braucht nicht den ORF, um am Markt Überzeugungsarbeit zu leisten." Um ein größeres Stück vom Werbekuchen zu bekommen, fordert er ein reklamefreies ORF-Portal. Nach dem Vorbild von öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien oder den skandinavischen Ländern.

Freund und Feind

Plattformen wie Facebook oder Twitter sind mehr Mitbewerb als Bereicherung, konstatiert Russ neue Konkurrenz im Bereich der sozialen Netzwerke. "Google ist auch unser Gegner, dennoch machen wir sehr viel mit Google", so Russ. Ähnlich verhalte es sich mit Facebook, wo es Verknüpfungen mit den eigenen Seiten gibt. Auch Mitteräcker sieht Berührungspunkte. Gerade bei User generated Content, der aber bei derStandard.at über die Postings und nicht über Portale wie Facebook gewonnen werde: "Wir wollen schließlich, dass die Leute auf unserer Seite bleiben." (om, derStandard.at, 8.10.2009)