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Der tschechische Staatspräsident Václav Klaus hat am Freitag im Prag präzisiert, welche Gegenleistung er für seine Unterschrift unter den ungeliebten Lissabon-Vertrag der EU verlangt.

Foto: AP/Petr David Josek

Tschechiens Präsident Václav Klaus hat in seinem Kampf gegen den Lissabon-Vertrag schwere Geschütze aufgefahren. Er erklärte, das Dokument nur unterschreiben zu wollen, wenn die EU seinem Land Garantien gewährt, dass die Europäische Grundrechtecharta nicht zur Aushebelung der Beneš-Dekrete führen wird. Die Dekrete, die nach 1945 vom damaligen tschechoslowakischen Präsidenten Edvard Beneš erlassen wurden, bildeten die Grundlage für die Enteignung der Sudetendeutschen und Ungarn in der damaligen Tschechoslowakei.

Der Lissabon-Vertrag setze das Land "neuen Risiken aus" , weil er zu einer Gefährdung der Eigentumsverhältnisse führen könnte, sagte Klaus. Er fügte hinzu, dass auch Polen und Großbritannien Ausnahmen von der Grundrechtscharta gewährt wurden, und er zeigte sich überzeugt, dass eine entsprechende Ausnahme schnell erreicht werden könnte.

Klaus' Bedenken wurden erstmals am Donnerstag nach einem Telefonat mit dem EU-Ratsvorsitzenden, Schwedens Premier Frederik Reinfeldt, bekannt. Den Vorstoß akkordierte er jedoch weder mit Regierungschef Jan Fischer, noch mit Außenminister Jan Kohout. Trotzdem versuchte Premier Fischer am Freitag die Aufregung, die der Vorstoß in der EU ausgelöst hatte, zu beschwichtigen. Er gehe davon aus, dass auch mit einem vom Präsidenten geforderten Zusatz unter den Vertrag seine zeitgerechte Ratifizierung in Tschechien bis Ende des Jahres zu schaffen sei.

Regierung auf Lösungssuche

Fischer widersprach allerdings den Befürchtungen von Klaus, das Vertragsdokument könnte indirekt zur einer Konterkarierung der Beneš-Dekrete führen. Die Regierung werde sich schon am Montag mit dem Thema befassen und eine akzeptierbare Lösung vorschlagen.

Bereits am Vormittag erläuterte Klaus seine Vorstellungen dem Präsidenten des Europaparlaments, Jerzy Buzek, der nach Prag gekommen war, um sich über den Stand der Ratifizierung des Reformvertrags zu informieren. Nach dem Treffen meinte Buzek, dass über allfällige zusätzliche Forderungen zum Lissabon-Vertrag zunächst in Tschechien selber Übereinstimmung herrschen sollte.

Mit Unverständnis auf die Initiative reagierte die rechtsliberale Demokratische Bürgerpartei (ODS), deren langjähriger Vorsitzender Klaus war. Der Präsident hätte seine Bedenken bezüglich der Grundrechtecharta schon viel früher einbringen können, etwa als er vor zwei Jahren der Regierung das Mandat erteilte, die Verhandlungen über den Vertrag zu führen, hieß es dazu in einer Presseerklärung.

Gegen einen Zusatz zum Lissabon-Vertrag sprach sich dezidiert auch der frühere tschechische Außenminister Karl Schwarzenberg aus. Er meinte, so etwas könnte sich auch gegen das Land richten, denn es könnte der Eindruck entstehen, dass es schwach wäre und kein Selbstvertrauen hätte. (Robert Schuster aus Prag/DER STANDARD, Printausgabe, 10.10.2009)