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"Ob ich ausgesorgt hab? Aber geh", sagt Martin Ulrich. "Eishockey hat ja keine Fußball-Dimensionen."

Foto: APA/ FRANZ NEUMAYR

Standard: Was sagt Ihnen der 7. Dezember 1989?
Ulrich: Prinzipiell gar nichts. Aber wenn Sie mich danach fragen, werd ich da mein erstes Ländermatch gespielt haben.

Standard: Wo?
Ulrich: In Ostberlin gegen die DDR. Den Endstand weiß ich nicht mehr.

Standard: 3:2 für Österreich. Das muss eines der letzten Länderspiele der DDR gewesen sein.
Ulrich: Davon, dass einen Monat zuvor die Mauer gefallen war, war damals in Ostberlin gar nichts zu merken. Das hat man wohl eher in Westberlin gespürt. Aber wir haben mit den DDR-Spielern geredet, viele von ihnen waren zuversichtlich, bald im Westen spielen und gut verdienen zu können.

Standard: Zwanzig Jahre später erklären Sie Ihren Rücktritt - ein fälliger, schwieriger Schritt?
Ulrich: Pensionsschock hab ich keinen. Ich hab ja viel zu tun, bin Mentaltrainer und U-18-Teamtrainer, werde ab und zu für Sky kokommentieren. Ob ich ausgesorgt hab? Aber geh! Eishockey hat ja keine Fußball-Dimensionen. Fast härter als jetzt der Rücktritt war vor einem Jahr der Wechsel in die Nationalliga, zu Zell am See. Ich wollte nicht mehr weg aus Salzburg, auch wegen der Familie, und ruhiger treten. Und es war okay, auch wenn der Verein in Konkurs gegangen ist und mir Geld schuldet. Ich hab gesehen, wie Leute, die einen anderen Job haben und mit Eishockey nichts verdienen, trotzdem jeden Tag trainieren und Gaude haben.

Standard: Was hat Sie so lange angetrieben?
Ulrich: Ich hab mir immer Ziele gesetzt, hab immer etwas beweisen wollen, mir selbst und anderen. Mit 17 hab ich mir die linke Schulter ausgekegelt, der Arzt im Böhler-Spital hat die Hände zusammengeschlagen und gesagt, ich kann nie wieder Eishockey spielen. Ich hab geplärrt, bin aber nach der Operation und der Reha natürlich wieder aufs Eis. Im ersten Training ist die Schulter wieder raus, ich hab trotzdem nicht aufgehört und Kraft aufgebaut, bis die Schulter irgendwann eine Ruh gegeben hat.

Standard: Die Eishockey-Begeisterung kam nicht von ungefähr.
Ulrich: Mein Vater war Trainer, mein älterer Bruder hat auch gespielt. Ich bin als Dreijähriger mit Doppelkufen aufs Eis, hab mit vier meinen ersten Schläger in der Hand gehabt. Bei der WM 1977 in Wien durfte ich bei der Eröffnung eine Fahne tragen, leider nicht die kanadische, sondern die rumänische, das war fast tragisch. Bei der WM 1987 war ich wieder dabei, diesmal mit der schwedischen Fahne, und Schweden ist dann Weltmeister geworden.

Standard: Bei der dritten und vierten WM in Wien, 1996 und 2005, waren Sie als Spieler dabei. Österreich ist abgestiegen.
Ulrich: So gesehen war die WM 1987 meine erfolgreichste.

Standard: Der Abstieg '96 war wohl Folge davon, dass die Nachwuchsarbeit vernachlässigt wurde. Auch jetzt ist Österreich zweitklassig. Ist die Situation vergleichbar?
Ulrich: Damals gab's für junge Spieler noch weniger Plätze als jetzt. Auch jetzt wär's besser, die Vereine würden sich auf fünf Legionäre beschränken. Andererseits muss man dankbar sein, wenn es Leute gibt, die in den Sport investieren. Der Unterschied zu vielen Ländern ist, dass dort auch im Nachwuchs hauptamtliche Trainer tätig sind.

Standard: Was muss ein Junger mitbringen, um im Eishockey Erfolg zu haben? Ist es schon Voraussetzung, wie Thomas Vanek in jungen Jahren ins Ausland zu gehen?
Ulrich: Das ist ein möglicher Weg, sicher der beste, aber nicht der einzige. Wichtig ist die Einstellung zum und der Spaß am Sport. Ein Spieler muss bereit sein, für den Sport zu leben, und Ziele haben.

Standard: Sie haben eigentlich als Stürmer begonnen.
Ulrich: Bis 18 war ich Mittelstürmer. Dann sind wir praktisch ohne Verteidiger zu einer U-20-WM gefahren. Da bin ich halt nach hinten gegangen. Ein Jahr später war Wien defensiv nicht stark besetzt, schon war ich wieder hinten, und ich hab mich damit abgefunden.

Standard: So haben Sie in 228 Länderspielen 15 Tore erzielt.
Ulrich: Ich kann mich nur noch ans letzte erinnern, bei der B-WM 2008 gegen Kasachstan. Es hat geholfen, in die A-Gruppe aufzusteigen.

Standard: Freilich ist das Team postwendend wieder abgestiegen, allerdings schon ohne Sie.
Ulrich: Da würde ich keinen direkten Zusammenhang herstellen.

Standard: Was können Sie aus dem Sport in Ihren Job als Mentaltrainer mitnehmen?
Ulrich: Ich hab im Sport viel gesehen und erlebt. Vieles kann man umlegen. Wenn's zum Beispiel um Führungsstile und Aufgabenverteilung geht, dann funktioniert eine Abteilung nicht anders als eine Mannschaft.

Standard: Letzte Frage: Wie sind Sie zur Rückennummer 47 gekommen? Mit Ihrem Geburtsjahr hat sie ja nichts zu tun?
Ulrich: Das geht sich knapp nicht aus. Ich war eigentlich immer hinter der 77 her, die auch der Kanadier Phil Esposito getragen hat, der war mein Vorbild. In Wien hatte ich immerhin die 7, in Graz wollten sie mir die 28 geben. Aber mit der hab ich überhaupt nichts anfangen können, die 47 war ein Kompromiss. Zumindest ein Siebener hat dabei sein müssen. (Fritz Neumann, DER STANDARD, Printausgabe, Samstag, 10. Oktober 2009)