Auch wenn die Bilder von der Öffnung der Grenze zwischen der Türkei und Armenien noch ein paar Monate auf sich warten lassen werden - mit der Unterzeichnung des Normalisierungsvertrags haben die beiden Länder den entscheidenden Schritt getan. Der ist trotz der heftigen Proteste der jeweiligen Opposition irreversibel.

Denn letztlich sind beide Nachbarn auf eine Versöhnung angewiesen. Das geografisch völlig isolierte Armenien braucht eine offene Grenze nach Westen, um wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Und die Türkei muss, will sie sich als Regionalmacht profilieren und ihre Chancen für einen EU-Beitritt wahren, endlich aus der "Völkermord" -Sackgasse herauskommen. Es gibt Anzeichen, dass die Regierung Erdogan zu einer echten Geschichtsaufarbeitung bereit ist.

Neben diesen entscheidenden Bedingungen gebührt der Schweiz große Anerkennung. Zwar waren die USA der entscheidende Druckfaktor, und auch Russland hat eine Annäherung Armeniens an den Westen zumindest nicht behindert, doch die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey war es, die vor Ort die Gespräche in Gang hielt.

Mit der Vereinbarung von Zürich kommt endlich auch in die Verhandlungen über Berg-Karabach Bewegung. Die Türkei macht für eine Grenzöffnung indirekt zur Voraussetzung, dass Armenien wenigstens einen Teil des besetzten aserbaidschanischen Territoriums räumt. Angeblich sind die Verhandlungen in der Endphase. Ein Abkommen wäre das positive Gegenbeispiel zu dem Desaster in Georgien und könnte zum Vorbild für den gesamten Kaukasus werden. (Jürgen Gottschlich/DER STANDARD, Printausgabe, 12.10.2009)