Wirtschaftliche Stärke war immer eine Voraussetzung für politische Macht im Poker um Vorherrschaft - regional und international. Früher ging es vor allem darum, Kriege führen zu können. George W. Bush und Wladimir Putin folgten dieser Tradition.

In den USA geht Barack Obama schrittweise einen anderen Weg. Weniger Rüstung, dafür stärkere Investitionen in den Kampf ums Überleben des Planeten. Sein russischer Kollege Medwedew ist ebenfalls "softer" als der Vorgänger. Weshalb es kein Zufall ist, dass die Entscheidung von General Motors, Opel an Magna und an die in Staatsbesitz befindliche Sber-Bank zu verkaufen, zeitlich zusammenfiel mit der Aufgabe der Planung eines US-Raketenschilds in Mittelosteuropa.

Medwedew und Putin beherrschen eine Energie-Macht, mit deren Öl-Lieferungen ganze Staaten in die Knie gezwungen werden können. Siehe Ukraine. Die beiden Kreml-Zaren wissen jedoch, dass diese Keule langsam Gewicht verliert. Um im Wettbewerb der Güter-Fertigung irgendwann dem Westen Paroli zu bieten, brauchen sie Know-how für den Umbau der veralteten Industriestrukturen, vor allem für jene der Autoindustrie. Allein im Konzern, der den Lada produziert, müssen schon 2010 wegen der unattraktiven Modelle 27.000 oder ein Viertel der Belegschaft gekündigt werden.

Zweifellos war das Frank Stronachs Ansatz, mit Moskau ins Geschäft zu kommen. In Washington dachte man ähnlich. Gib den Russen Zucker und sie werden nicht mehr so sauer sein.

Die kolportierte Angst, westliches Know-how könnte über den Opel-Verkauf nach Russland wandern, ist bodenlos. Renault ist so wie Fiat seit vielen Jahren dort aktiv. Jetzt werden es auch Opel und GM sein.

So der Mega-Deal nicht im letzten Moment noch abgeblasen wird. Denn die künftige deutsche Regierungspartei FDP ist ein Gegner der Transaktion. Und könnte Sand in jenes Getriebe streuen, das von Gerhard Schröder (ehemaliger deutscher Kanzler) und Frank Steinmeier (unterlegener SPD-Kandidat) auch mithilfe des Magna-Aufsichtsratsmitglieds Franz Vranitzky entwickelt wurde. Wolfgang Schüssel hat Kreisen zufolge öfter bei Angela Merkel interveniert. Sie ist jetzt die Hoffnung Stronachs und Putins.

Dass die gegenwärtige österreichische Regierung dabei überhaupt keine Rolle gespielt hat, illustriert deren internationale Bedeutung.

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Regierungen gegenüber den Großkonzernen wieder gestärkt. Die hatten ihnen bereits zwanzig Jahre die Art der Politik diktiert. Stichwort Neo-Liberalismus.

Russland hat das in Form der Oligarchen erlebt. Sie haben Beamte und Provinzgouverneure bestochen, Putin und Medwedew aber nichts vorschreiben können. Der Kreml ist eine vor allem von Energie-Einnahmen finanzierte Staatsmaschine. Man könnte auch sagen: ein einziger riesiger Konzern.

Bei der Einschätzung der Auswirkungen scheiden sich die Geister. Wird Opel auch ein für den Westen vorteilhafter Beitrag zu einer neuen Ostpolitik sein. Oder setzt Moskau auf die Ölwaffe noch eins drauf? (Gerfried Sperl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.10.2009)