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Weil die Finanzkrise weltweit die Erträge der Pensionsfonds auffrisst, sehen sich die Rentner um ihr letztes Hemd gebracht.

Foto: APA/EPA/Andy Rain

Pensionsfonds haben durch die Krise massive Verluste erlitten. Leistungszusagen müssen zurückgenommen werden. Die Fonds sind aber nicht nur Opfer der Krise, sie haben diese mitausgelöst, sagt die Arbeiterkammer.

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Wien - Kaum gibt es erste Stimmen, die verkünden, dass die Finanzkrise ihrem Ende zugeht und Indikatoren eine Erholung der Wirtschaft andeuten, werden die tiefen Spuren sichtbar, die diese Krise hinterlässt. Bei den US-Pensionsfonds für öffentliche Bedienstete etwa haben die Verluste durch den Absturz der Börsen ein derartiges Loch in die Bilanz gerissen, dass Experten glauben, es werde ohne grundlegende Änderungen am System wohl nie mehr gelingen, dieses wieder auszugleichen.

Die Washington Post zeigt anhand von Zahlen auf, wie dramatisch die Lage ist. Demnach haben die US-Pensionsfonds nach Angaben des Center for Retirement Research am Boston College vor Ausbruch der Finanzkrise ein Vermögen von 3,6 Billionen US-Dollar prognostiziert. Derzeit haben sie um 1,2 Bio. Dollar weniger, um Ansprüche zu bedienen. Auch einzelne Unternehmen - etwa die Verkehrsbetriebe von Chicago - kämpfen hart mit den Leistungszusagen.

Um die Pensionsansprüche zu verdienen, wurde in den guten Börsenjahren viele Produkte gekauft, die auch ein großes Absturzpotenzial aufgebaut haben, das Unternehmen jetzt ins strudeln bringt.

Die US-Alterssicherung basiert auf gesetzlichen, betrieblichen und privaten Systemen. Vor allem die betriebliche Vorsorge fußt auf dem Prinzip der Leistungszusage, bei dem sich Arbeitgeber auf die Zahlung einer vorher bestimmten Leistung ab Pensionsantritt verpflichten. Das war für viele Unternehmen schon in normalen Zeiten eine große Herausforderung. In Virginia etwa geht man mittlerweile davon aus, dass allein der größte Pensionsfonds des Bundesstaats bereits 2013 nur noch rund 60 Prozent der benötigten Mittel zur Verfügung haben wird. Investmentguru Warren Buffet bezeichnet die Pensionsfonds gar als "tickende Zeitbombe" , weil in den kommenden Jahren immer mehr öffentliche Bedienstete das Rentenalter erreichen werden, und gleichzeitig die Pensionisten länger leben.

"Ungeheures Wachstum"

Mit diesen demografischen Sorgen (und Verlusten) kämpfen Pensionskassen weltweit. Eine Studie der Arbeiterkammer Wien (AK) besagt nun, dass die private Pensionsvorsorge durch ihr großes Engagement am Kapitalmarkt nicht nur Opfer, sondern auch Mitverursacher der Krise ist. Denn die Suche der Fonds nach Renditen habe die Finanzmärkte noch zusätzlich aufgebläht. Seit den 1990er Jahren erfuhr die private Altersvorsorge ein "ungeheures Wachstum" , sagte Studienautorin Agnes Streissler.

In Europa ist das in Pensionsfonds veranlagte Vermögen zwischen 2001 und 2007 um 141 Prozent auf 2915 Mrd. Euro gestiegen. Im OECD-Schnitt sind damit mehr als 75 Prozent des BIP in Pensionsfonds veranlagt. Im EU-Schnitt seien es derzeit etwa 30 Prozent, in Österreich fünf bis sechs Prozent.

AK-Direktor Werner Muhm sprach sich für ein starkes öffentliches Pensionssystem aus und sagte, die jahrelang geschürten Ertragserwartungen der Privaten seien "Scharlatanerei" . Alice Kundtner, Bereichsleiterin für Soziales der AK beruhigte: Trotz steigender Zahl der Älteren laufe bei der Finanzierung der öffentlichen Altersvorsorge "die nächsten 50 Jahre nichts aus dem Ruder" . Das öffentliche System diene der Sicherung des Lebensstandards und solle gerade jetzt Priorität haben.

Wolfgang Katzian, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus und Papier, fordert eine Ausstiegsmöglichkeit aus der privaten Vorsorge. Die Krise habe gezeigt, dass das Dreisäulenmodell nicht mehr Sicherheit gebracht habe. Die Forderung der Seniorenverbände nach einer Pensionsanpassung laut Pensionistenpreisindex lehnt Muhm ab. Wenn man von der Inflationsanpassung abweiche, "verliert man an Systemstabilität" . (bpf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.10.2009)