Wien - Die im Bundesbahnstrukturgesetz vorgesehene Schaffung einer Produktionsgesellschaft zur Abwicklung von Zugfahrten und Verschubeinsätzen für sämtliche ÖBB-Gesellschaften und externe Eisenbahnverkehrsunternehmen ist offensichtlich komplizierter, als sich das Politiker und Gesetzgeber vorgestellt haben. Das liegt vor allem am Teilbereich Verschub mit seinen rund 4500 Beschäftigten.
Denn wird der Verschub, wie von der ÖBB-Güterverkehrssparte Rail Cargo Austria (RCA) gewünscht, von der für Bahnausbau und Eisenbahnbetrieb zuständigen ÖBB-Infrastruktur AG abgespalten und mit der ÖBB-Traktion (Lokführer, Fahrbetrieb, Wagendienst) zur ÖBB-Produktion-GmbH verschmolzen, könnte sich Österreich ein Beihilfeverfahren in Brüssel einhandeln. Das liegt an den Millionenzuschüssen, mit denen der Verschub als Teil des Eisenbahnbetriebs großteils von der öffentlichen Hand finanziert wird. Pro Jahr wendet die Republik 1,006 Milliarden Euro für Erhaltung und Betrieb des Eisenbahnnetzes auf; davon fließen 150 Millionen Euro in den Verschub, konkret "für nicht durch Markterlöse gedeckten Personalaufwand der Verschieber" , wie es in einer dem Standard vorliegenden internen ÖBB-Managementunterlage heißt. Der Verschub dient der Zugbildung und gehört damit laut EU-Eisenbahnliberalisierung zu jenen Leistungen, die der ÖBB-Infrastruktur-Teilbereich Betrieb allen Eisenbahnunternehmen diskriminierungsfrei und gegen Bezahlung von "Schienenmaut" (i. e. Infrastrukturbenützungsentgelt) anbieten muss.
Würde der Verschub nun wie geplant mit der ÖBB-Traktion (Fahrbetrieb, Lokführer, Wagendienst) unter dem Dach von Personen- und Güterverkehr fusioniert, könnte damit unerlaubter Quersubventionierung des Absatzbereiches durch staatlich finanzierte Infrastruktur Tür und Tor geöffnet werden, fürchten Wettbewerbshüter.
Das Problem dahinter: Ohne Finanzhilfe kann die ihrerseits defizitäre (weil durch Crossborder-Leases auf Lokomotiven, Spekulationsgeschäfte und wirtschaftskrisenbedingte nachfrageeinbruchbelastete) ÖBB-Traktion den Verschub nicht schleppen. Derzeit gehört die Traktion Personenverkehr (51 Prozent) und RCA (49 Prozent), künftig soll sie der RCA zu "70 bis 99 Prozent" gehören. Lösen ließe sich das Problem durch eine einmalige Beihilfe. Selbige müsste bis 31. Dezember fließen, weil es zur Umstrukturierung von Eisenbahnverkehrsunternehmen eine EU-Ausnahmeregelung gibt. Das Problem: Es ist kein Geld budgetiert.
Nicht gelöst wäre damit das zweite, viel größere Problem: Die in der Verlustzone herumkurvende RCA will dem ÖBB-Personenverkehr die Mehrheit an der Traktion nicht um 160 Mio. Euro abkaufen. Um Cash zu sparen, will man die Anlagen (Loks) an RCA und PV abspalten. Die Traktion würde dann, wie im Gesetz bestimmt, weiter bestehen, aber nur mehr als Personalagentur für Fahrdienst und Verschub. Das ist im ÖBB-Konzern allerdings nicht Konsens. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.10.2009)