Berufsinformationsmessen, wie im Bild die Best, haben offenbar nichts genützt: Nach wie vor fehlt Maturanten die richtige Info für den weiteren Bildungs- und Berufsweg.

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Die MaturantInnen-Beratung der Uni Wien ist jedes Jahr aufs neue überrascht, wie schlecht informiert die potenziellen Studierenden sind: Sie haben sowohl falsche Vorstellungen vom Sinn ihres Studiums als auch ein falsches Bild: So glauben viele Jugendliche nach wie vor, dass sie nach dem Studium der Psychologie Psychotherapeuten sind oder nach jenem der Publizistik Journalisten. „Derzeit studieren Leute Medizin, weil sie so gerne Emergency Room anschauen.", beklagt ÖH-Vorsitzende Sigrid Maurer (Gras). Dies sei auch der Grund für die hohen Drop-Out-Raten bei diesen Studien.

Beim Berufseinstieg und den Lehrberufen ist es nicht anders. Nach der Schulzeit herrscht bei vielen große Ratlosigkeit. Der Grund: In den AHS-Oberstufen wird die Berufsorientierung stiefmütterlich behandelt, nach dem Motto: Die Schüler gehen ohnehin studieren.

„Die Kritik kann ich der AHS-Oberstufe nicht ersparen", sagt Leo Hödl, Leiter des Berufsorientierungszentrums der Wiener Wirtschaftskammer (Biwi). „In der hohen Anzahl der Drop-Outs sehe ich ein großes Problem", sagt Hödl. Jenen Schülern also, die von Anfang an im falschen Schultyp gelandet sind. Im Herbst, wenn die Nachprüfungen vorbei sind und nicht bestanden wurden, rennen ihm die Oberstufen-Schüler die Türen ein. Und haben dabei keine Ahnung von der Berufswelt und was sie später einmal machen wollen.

Keine Berufsbeartung an BHS

Handlungsbedarf sieht Hödl vor allem bei den Berufsbildenden Höheren Schulen (BHS), der HAK oder HTL, wo keine Berufsberatung stattfindet. Denn dort scheint die Meinung vorzuherrschen, dass sich die Schüler offensichtlich für ein Berufsfeld entschieden haben - wozu also noch beraten? „Da würde sogar ich über verpflichtende Berufsorientierung reden", sagt Hödl. Das Problem sieht auch Friedrich Moshammer von der Abteilung Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation des AMS. „Berufsberatung in der AHS-Unterstufe hängt vom Engagement des Lehrers ab. Die AHS wird noch immer als Langform angesehen". Mit den Pflichtschul-Klassen, inklusive AHS-Unterstufen, die ins Biwi oder zum AMS zur Beratung kommen, sind sowohl Hödl als auch Moshammer zufrieden. „Die Schulen haben begriffen, dass sie sich externer Experten bedienen müssen", sagt Hödl.

Musterbezirk Floridsdorf

Einer, der das Pflichtfach "Berufsorientierung" eingeführt hat, ist Reinhard Dumser. Der Bezirksschulinspektor des 21. Wiener Gemeindebezirks taufte die Kooperativen Mittelschulen (für Nicht-Wiener: Hauptschulen) in Wien-Floridsdorf in „Colleges für Berufsorienterung" um, wo das Fach einmal in der Woche unterrichtet wird. Das Projekt hat vor elf Jahren begonnen. „Wir bereiten die Schüler aber nicht auf einzelne Berufe vor, sondern arbeiten mit Beispielen aus der Berufswelt", sagt Dumser im derStandard.at-Interview.

Das fange schon damit an, dass die Schulaufgaben lebensnaher sind: „Es ist für uns sinnvoller, wenn Schüler im Winter nicht den Aufsatz "Hurra es schneit!" schreiben, sondern darüber, warum die Schneeschaufel, wenn sie in Österreich produziert wird, wesentlich teurer ist als wenn sie in Tschechien produziert wird." Für die Lehrer hat diese Umstellung mehr Arbeit bedeutet: Sie haben an der Pädagogischen Hochschule zusätzliche Kurse, die eigens für das Fach Berufsorientierung entwickelt worden waren, besucht.

Kurssystem zur Berufsorienterung

Das College-System basiert auf einem Kurssystem. In der ersten Klasse bekommen die Schüler ein Studienbuch, in dem sie ihre Wahlpflichtfächer vermerken. Ein Fach ist in der ersten und zweiten Klasse aber Pflicht: Lernorganisation und Lernmotivation. „Was die Betriebe bei den Schülern vermisst haben, ist, dass sie keinen Ordnungsrahmen haben und nicht genau arbeiten. Also wurde das Fach eingeführt", sagt Dumser.

„Nach den vier Jahren College macht ihnen das Buch die Suche nach der Lehrstelle leichter, oder erleichtert den Übertritt in weiterführende Schulen." Eine Langzeitstudie habe auch ergeben, dass 30 Prozent der Absolventen zwei Jahre nach Abschluss in einer weiterführenden Höheren Schule waren. "In anderen Bereichen - vermuten wir, weil es keine Untersuchungen gibt - ist der Anteil nicht so hoch", sagt Dumser stolz.

"Schnupperwochen sind Blitzlichtaufnahmen"

Von Schnupperwochen, wo Schüler sich eine Woche lang in einem Betrieb umsehen, hält Dumser nichts: „Das sind nur Blitzlichtaufnahmen. Solange Berufsorientierung in der Schule so wie der Welttag des Tieres stattfindet, bringt sie nichts. Denn über die Berufswelt reden, heißt auch über Berufsleid, über gewerkschaftliche Maßnahmen reden, heißt auch Einsatz für den Betrieb."

Uni plant Studienplattform

Die ÖH-Exekutive will nicht warten, bis alle Oberstufen ein ähnliches Konzept, wie es in Floridsdorf läuft, installieren. Sie will in den kommenden zwei Jahren die Beratung vor dem Übertritt von der Schule an die Unis oder Fachhochschulen verbessern. Geplant ist unter anderem eine Studienplattform im Internet, auf der künftige Studierende einen Überblick über das gesamte Studienangebot an Unis und FH bekommen sollen. Auch Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) will sich der Untentschlossenen annehmen, um Studiengägne nicht zum Überlaufen zu bringen. Dazu soll die Studien- und Berufsberatung "Studienchecker", die derzeit als Pilotprojekt in drei Bundesländern läuft, bundesweit ausgedehnt werden. "Zum Zeitpunkt der Matura soll jeder wissen, was er studieren soll", sagte Hahn. (Marijana Miljkovic, derStandard.at, 19. Oktober 2009)