
Ein EuGH-Urteil zwingt zur Änderung des Konsumentenschutzgesetzes.
Die Bestellung von Waren in Versandhauskatalogen oder im Internet - sogenannte Fernabsatzgeschäfte - spart Zeit. Allerdings hat der Verbraucher keine Möglichkeit, die Ware vor dem Kauf zu sehen, zu probieren oder zu prüfen. Deshalb sieht die europäische Fernabsatzrichtlinie ein siebentägiges Rücktrittsrecht vor, das jeder nutzen kann, dem etwa ein im Katalog bestelltes Kleidungsstück doch nicht gefällt oder passt.
Der Unternehmer muss den Konsumenten darüber belehren und tut dies meist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die man vor dem Kauf lesen sollte.
Unternehmen in Österreich informieren die Konsumenten häufig auch darüber, dass sie bei einem Rücktritt ein Benutzungsentgelt bzw. eine Wertminderungsentschädigung zu zahlen haben. Sie berufen sich dabei auf § 5g Abs. 1 Z 2 des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG), der für den Rücktritt von einem Fernabsatzgeschäft ein angemessenes Entgelt für die Benutzung der Ware und eine Entschädigung für eine mit der Nutzung verbundene - tatsächliche - Wertminderung vorsieht.
Die EU-Fernabsatzrichtlinie kennt hingegen kein Benutzungsentgelt. Die einzigen Kosten, die dem Konsumenten auferlegt werden dürfen, sind die für die Rücksendung der Ware.
Dadurch stellt sich die Frage, ob die Richtlinie in Österreich überhaupt konform umgesetzt wurde. Der Oberste Gerichtshof hat diese Frage bereits mehrfach beantwortet: Es ist mit der Richtlinie nicht vereinbar, vom Verbraucher ein Benutzungsentgelt einschließlich Wertersatz zu verlangen, wenn er die Ware lediglich begutachtet oder kurzfristig probiert hat (8 Ob 25/09y; 1 Ob 110/05s).
Laptop-Urteil mit Folgen
Nun liegt mit Urteil vom 3.9. 2009 in der Rechtssache C-489/07 (Messner/Krüger) eine Klarstellung des Europäischen Gerichtshofes vor. Der EuGH entschied im Falle eines übers Internet erworbenen Laptops, dass die Fernabsatzrichtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, die dem Unternehmer vom Konsumenten im Fall, dass dieser sein Rücktrittsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung einer im Fernabsatz gekauften Ware gewährt. Prüfen, An- und Ausprobieren einer Ware muss kostenlos möglich sein. Das Urteil betrifft die deutsche Regelung, erklärt aber indirekt auch die in § 5g KSchG festgelegte Pflicht des Konsumenten zur Zahlung eines Benutzungsentgeltes in Österreich für unzulässig.
Ein angemessener Wertersatz dürfe ausnahmsweise dann verlangt werden, wenn die Nutzung der Ware durch den Konsumenten mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts - Treu und Glauben oder ungerechtfertigte Bereicherung - unvereinbar wäre. Dies wäre etwa der Fall, wenn erwiesen ist, dass der Konsument die Ware nur zur einmaligen Verwendung bestellt hat. Bestellt eine Käuferin ein Kleid, um es einen Abend zu tragen, und schickt es dann zurück, dann müsste sie Wertersatz leisten.
Aber auch diesen Ausnahmen setzt der EuGH Grenzen. Ein Wertersatz muss nur dann geleistet werden, wenn damit Sinn und Zweck des Rücktrittsrechts des Konsumenten nicht beeinträchtigt werden - etwa, wenn die Höhe des Wertersatzes außer Verhältnis zum Kaufpreis steht oder der Konsument beweisen muss, dass er die Ware nicht über das für die zweckdienliche Ausübung seines Rücktrittsrechts - z. B. das Probieren des Kleides - erforderliche Maß hinaus benützt hat. Hier wird dem Unternehmer nur noch in Ausnahmefällen und im Einzelfall ein Wertersatz gewährt.
Die EuGH-Entscheidung macht wohl eine Neuregelung des Konsumentenschutzgesetzes notwendig. Bis dahin sollten Unternehmer, die Fernabsatzverträge mit Konsumenten abschließen, vorsichtshalber auf Vertragsklauseln verzichten, die im Falle des Rücktritts vom Kauf ein Benutzungsentgelt vorsehen. Klauseln, die dem Konsumenten die Kosten der Rücksendung auferlegen, können jedoch bleiben. (DER STANDARD; Print-Ausgabe, 14.10.2009)