Auf der Suche nach einer - lyrischen - Eingebung: Was könnten die geheimnisvollen Codes am Goldenen Dachl bedeuten? Lukas Morscher, Orhan Kipcak, Felix Mitterer, Ide Hintze beim Denken.
(von links).

 

sfd/harriet nachtmann

Geheimnisvolle Schriftzeichen (Ausschnitt) am Goldenen Dachl sollen poetisch aufgearbeitet werden.

Foto: Schule für Dichtung

Innsbruck - Seit 1899, seit der Reinschrift des Schriftbandes durch den Denkmalschützer Johann Deininger, versuchen Wissenschafter, die geheimnisvollen Zeichen am Innsbrucker Prunk-erker, dem Goldenen Dachl, zu enträtseln. Dem Hebräischen ähnlich, konnte es bisher nicht "sinnvoll" übersetzt werden, sagt Stadtarchivleiter Lukas Morscher.

Mit der "Schule für Dichtung" und dem Tiroler Haus- und Hofschriftsteller Felix Mitterer wird jetzt übers Internet nach lyrischen "Übersetzungen" gefahndet. Für Mitterer könnten die 58 geheimnisvollen Zeichen am Innsbrucker Wahrzeichen durchaus Stoff für einen Dan-Brown-Krimi sein. Er selbst sei aber immer achtlos an den Schriftzeichen vorbeigegangen.

Für Morscher und Mitterer ist die lyrische Enträtselung des Schriftbandes auch ein "Experiment": Funktioniert das anonyme Rätseln im Internet bereits? "Angesprochen werden sich wohl hauptsächlich Exil-Tiroler in aller Welt fühlen", vermutet Morscher. Und hofft auf rege poetische Teilnahme mit mehr "Herz als Verstand".

Christian Ide Hintze von der Schule für Dichtung ist das Schriftband bei einem Besuch ins Auge gestochen. Das poetische Rätsel wurde ins Internet gestellt: Und dort soll auch der lyrische Zugang zum Verstehen der geheimnisvollen Botschaft gefunden werden. Wer mitdichten will, kann sich anonym einloggen. Das Schriftband ist aber auch am Goldenen Dachl ersichtlich. Allerdings etwas versteckt: "Die Zeichen sind hinter den Köpfen der Figuren auf den Reliefs", hilft Stadtarchivleiter Morscher beim Suchen: "Auf der Höhe der Fenster im zweiten Stock." Kaiser Maximilian ließ das Goldene Dachl 1420 erbauen, warum mit einem Rätsel? "Vielleicht wollte er, dass wir uns jahrhundertelang die Zähne daran ausbeißen", sagt Morscher. Vier Wochen sind für die lyrische Enträtselung eingeplant, eine Verlängerung ist möglich. Im kommenden Sommer soll auch ein Buch aus der Poesie der Dechiffrierung entstehen. (Verena Langegger, DER STANDARD Printausgabe, 14.10.2009)