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64 Kurden wurden am vergangenen Wochenende in Grazin einem als  Obst- und Gemüsetransporter getarnten Schlepper-LKW entdeckt

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58 der geschleppten Kurden, die beim Transport von Istanbul nach Österreich mehr als einen Tag in den Kühltransportern versteckt ausharren mussten, untergetaucht. Sie hatten zwar um Asyl angesucht und waren im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen untergebracht worden, doch ihr eigentliches Ziel dürfte Deutschland gewesen sein

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Eine Dissertation an der Uni Wien analysiert, wie Schlepper arbeiten. Im jüngst aufgeflogenen Fall gibt es neue Verhaftungen - Von Michael Simoner

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Graz/Wien - Da waren es schon fünf - nach der aufgeflogenen Massenschleppung von 64 Kurden in zwei Lkws am vergangenen Wochenende wurden am Mittwoch in Graz zwei weitere mutmaßliche Menschenschmuggler verhaftet. Der Türke und der Österreicher sollen die hiesige Schaltzentrale für den gefährlichen Transport gewesen sein. Mit den beiden Lkw-Fahrern und einem Beifahrer, alle aus der Türkei, befinden sich nun fünf Verdächtige in Haft. Weitere Festnahmen seien nicht auszuschließen, erklärte Alexander Marakovits vom Bundeskriminalamt (BK).

Hauptverdächtige waren sehr überrascht

Die beiden Hauptverdächtigen seien sehr überrascht gewesen, als sie in den Morgenstunden Besuch von der Polizei erhalten haben. Sie hätten keinen Widerstand geleistet, hieß es. Die Fahnder überprüfen, ob das Duo auch für weitere Straftaten verantwortlich sein könnten.

Im Kühltransportern versteckt

Wie der Standard berichtete, sind 58 der geschleppten Kurden, die beim Transport von Istanbul nach Österreich mehr als einen Tag in den Kühltransportern versteckt ausharren mussten, untergetaucht. Sie hatten zwar um Asyl angesucht und waren im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen untergebracht worden, doch ihr eigentliches Ziel dürfte Deutschland gewesen sein. Zwei der Flüchtlinge wurden dort aufgegriffen. Sechs der 64 Kurden landeten in Österreich gleich in Schubhaft, weil sie auf einen Asylantrag verzichteten.

Schlepperstrukturen wissenschaftlich erhoben

Ermittlungen gegen Schlepperorganisationen sind sehr aufwändig, weil Gruppen autark agieren und außer einer Telefonnummer wenig voneinander wissen. Daniela Peterka-Benton hat für ihre Dissertation an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Uni Wien geschleppte Personen befragt und erstmals Schlepperstrukturen wissenschaftlich erhoben. Mitgemacht haben 217 Asylwerber aus Ländern des ehemaligen Jugoslawiens und aus Tschetschenien.

Morddrohungen

Erstkontakte zu Schleppern in den Heimatländern sind demnach sehr einfach: Viele inserieren sogar in lokalen Zeitungen oder tarnen sich als Jobvermittlungsbüros. Beim zweiten Schritt wird es dann ernst: Fast die Hälfte der Befragten gab an, von Schleppern mit Morddrohungen und anderen Einschüchterungen (auch gegen die Familie) unter Druck gesetzt worden zu sein, damit keine Fluchtinfos bekannt werden. Rund einem Fünftel wurde fälschlicherweise ein Job im Zielland versprochen.

Lange Fußmärsche

Die jeweiligen "Reisebegleiter", die von einem Schlepper zum nächsten führen, seien in der Regel unbedarfte Personen, die sich etwas dazuverdienen wollen. In 60 Prozent der hinterfragten Schleusungen war die Bezahlung immer vor einem Abschnitt fällig. Der Preis für eine Reise ohne gültige Papiere von Tschetschenien nach Österreich liegt zwischen 2000 und 5000 Euro. Sechs von zehn Flüchtlingen waren weniger als eine Woche unterwegs, meist mit mehreren Verkehrsmitteln wie Lkw und Bus, und absolvierten zum Teil lange Fußmärsche. Fluchtgrund Nummer eins ist, dass das Leben im Krisengebiet daheim zu gefährlich geworden ist.(Michael Simoner, DER STANDARD Printausgabe 15.10.2009)