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Als Außenverteidiger auf verlorenem Posten: Paul Scharner.
Wien - Frankreich war für Österreichs Nationalteam keine Reise wert. Es hat keinerlei Bedeutung, dass das erste Tor ein schwerer Patzer eines Spielers und das zweite ein schwerer Patzer eines Schiedsrichters war. In der Nähe der Gleichwertigkeit war Österreich gegen mit angezogener Handbremse düsende Franzosen zu keiner Zeit. Wie kommt es, dass man ein Jahr nach einem feinen 3:1-Heimsieg gegen keinesfalls überragende Franzosen so blass aussah?
Bereits die Aufstellung ließ kein kreatives Spiel nach vorne erwarten. Ein Verbindungsmann zwischen Mittelfeld und Sturm wurde gar nicht erst aufgeboten. Unter anderem Daniel Beichler, Roman Wallner, Paul Scharner, Andreas Ivanschitz und David Alaba stünden Constantini für diese Aufgabe prinzipiell in leicht unterschiedlichen Ausprägungen zur Verfügung. Stattdessen liefen vorne zwei Riesen gegen die neu formierte französische Abwehr auf.
Geplante Variantenarmut
Doch ein nicht allzu offensiver linker und ein (nett formuliert) ungewohnter rechter Außenverteidiger ließen auch kein Flügelspiel zur Ausnutzung der Größe erahnen - zumal mit Veli Kavlak rechts auch im Mittelfeld kein lupenreiner Flankenspieler aufgeboten wurde, sondern einer, den es immer wieder in die Mitte hinter die Spitzen zieht.
Da die beiden aufgebotenen Stürmer auch keine besonderen Stärken im Konterspiel vorweisen können, blieb eine letzte Variante: Der Ball sollte wohl hoch nach vorne auf die Birne eines Großen geschossen werden, der auf den anderen abprallen lassen könne, und jener sollte dann wohl irgendetwas machen. Einmal hat das auch funktioniert: Beim Maierhofer-Schuss aus über 20 Metern in der 14. Minute.
Trugschluss
"Wenn er das Tor gemacht hätte, wäre alles richtig gewesen", vermutete Constantini hinterher. Doch das wäre es nicht, und zum Glück hat es nicht funktioniert. Natürlich wünscht sich auch der Autor dieser Zeilen österreichische Siege. Aber so planlos darf man in einem unwichtigen Spiel nicht schon wieder punkten. Das wettbewerbsmäßig komplett sinnlose Spiel gegen Frankreich wäre der Zeitpunkt für eine Identitätsfindung des Constantini-Teams gewesen. Doch die bleibt weiter aus.
Die ordentlichen Ergebnisse unter Constantini verdecken in der Öffentlichkeit ohnehin immer wieder eklatante Mängel. Wirklich nicht gut genug waren das 2:1 daheim gegen und das 1:1 in Rumänien (wo man viel zu spät bemerkte, dass man auch gewinnen kann), das 2:1 gegen Litauen (das uns allen noch in Erinnerung ist), und jenes schreckliche 0:2 gegen Kamerun. Die knappe 0:1-Niederlage in Serbien muss man als überbewerteten Ausrutscher nach oben verbuchen, das 3:1 gegen die Färöer darf als ordentlich durchgehen. Und dann gab es eben das Mittwochs-Spiel in Frankreich.
Ausbleibende Reaktion
Wie schon mehrmals in den vergangenen Spielen reagierte der Trainer nicht auf die klar ersichtlichen Probleme auf dem Feld. Paul Scharner ist bei Wigan im Moment hängende Spitze, im Team war er zuletzt Innenverteidiger, unter Brückner sollte er im defensiven Mittelfeld agieren. All das kann er teils hervorragend spielen. Ein rechter Außenverteidiger ist er nicht, und hat das auch nie behauptet. Constantini sah kurioserweise kurz nach dem Spiel "Paul gar nicht so schlecht". Laut der Nachbesprechung in Wien wollte er aber dann doch mehr erwartet haben. Wieder einer dieser seltsamen Widersprüche.
Ekrem Dag spielt bei Besiktas Istanbul zwar auch eher im Mittelfeld, aber er kann die Position rechts hinten spielen. Constantini scheint von der Idee nichts zu halten. Und als die Franzosen schon längst die vakante Stelle in der österreichischen Viererkette entdeckt hatten, hielt er noch immer nichts davon. Der türkische Meister und Champions League-Teilnehmer Dag wäre im Training nicht auffällig genug gewesen, sollte der Trainer später klagen.
Alabas Wirkung
Statt Dag zu bringen und Scharner etwa in die Innenverteidigung neben den wieder sehr guten Aleksandar Dragovic (oder gar zur Unterstützung nach vorne) zu stellen, nahm Constantini mit Christian Fuchs gar noch den anderen Außenverteidiger vom Platz. An dessen Stelle packte er mit David Alaba ebenfalls einen, der dort nicht spielen dürfte. Fehler hat er keinen gemacht, ein großer Plan kann hinter diesem Tausch aber auch nicht gestanden haben.
Alaba hatte außerdem schon längst klar gemacht, dass eine andere Nation nicht für ihn in Frage kommt. Die diesbezüglichen Rechtfertigungsversuche beurteilen sich damit von selbst. Statt zuviel über Fehler zu sprechen, wird nun medial der jüngste ÖFB-Teamkicker aller Zeiten bestaunt.
Vertrauen
Das Frankreich-Spiel ändert nichts. Aber ÖFB-Präsident Leo Windtner rief nun plötzlich doch die erfolgreiche EM-Qualifikation 2012 zur Aufgabe aus. Constantini wollte von diesem Ziel vor einigen Tagen noch nichts wissen. Jetzt findet er es "okay", nicht ohne jedoch das Wort "utopisch" zu nutzen. Das deutet an, dass der Trainer auch bei der ÖFB-Führung bereits zum Beginn seiner neuen Vertragsperiode den Vertrauenspolster ausgedünnt hat.
Eine Rücktrittsforderung wäre verfrüht. Trainer können und dürfen natürlich ebenso Fehler machen, wie jener Stürmer beim Spielaufbau unter Druck des französischen Pressings. Eine Niederlage mit Mut in Frankreich wäre leicht zu verkraften gewesen. Aber dieser Anschein von Planlosigkeit macht die Situation so schwer erträglich und sollte schnell ausgeräumt werden.
Auch ob man die nächste Quali schafft ist nicht so wichtig, wenn die Art zu scheitern Zukunft hat. So klar scheint das nur niemand sagen zu wollen. Windtner eiert mit seinen Zielvorgaben herum, Constantini ist bemüht die Erwartungshaltung weit unter Notwendigem zu halten. Der Wille zu einem möglicherweise schmerzhaften Aufbau ist bei der ÖFB-Führung genau so wenig zu spüren, wie der nötige Plan des Trainerteams nach mittlerweile sieben Spielen.
Constantini und Windtner sollten reden. (tsc, derStandard.at, 15.10.2009)