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Demonstration in Istanbul Mitte September gegen Israels Präsenz in Jerusalem.

Foto: AP/Usta

Das palästinensische Mädchen drückt sich verängstigt an die Wand und schaut mit aufgerissenen Augen auf einen israelischen Soldaten, der mit ausdrucksloser Miene abdrückt und sich dann routiniert von dem toten Kind abwendet. Die Szene gehört zum Trailer einer großen Serie, die das türkische Staatsfernsehen TRT seit dieser Woche ausstrahlt.

Die Serie mit dem Namen "Ayrilik" (Trennung) wimmelt von antisemitischen Klischees und soll den Kampf der Palästinenser seit der Unabhängigkeit Israels darstellen. Es handelt sich um ein Mammutprojekt des türkischen Staatsfunks, politischer Berater ist ein führender Kolumnist der regierungsnahen Zeitung Yeni Safak.

Israel reagierte scharf. Der israelische Protest kommt zu einem Zeitpunkt, da die Beziehungen beider Länder ohnedies schon einen Tiefpunkt erreicht haben. Die Auseinandersetzung begann mit einer sehr scharfen Kritik des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan an Israel nach dem Gaza-Krieg Ende letzten Jahres. Während des Weltwirtschaftsforums in Davos Ende Jänner verließ Erdogan wutentbrannt eine Diskussion mit dem israelischen Präsidenten Shimon Peres.

Seither versucht Ankara sein Image im arabischen Lager konsequent auf Kosten der Beziehungen zu Israel aufzupolieren. Vorerst letzter Eklat war Anfang der Woche die kurzfristige Ausladung Israels von einer seit langem geplanten Militärübung in der Türkei, an der auch die USA und Italien teilnehmen sollten. Nach der Ausladung Israels, die von den USA scharf gerügt wurde, blieben auch die anderen Partner dem Manöver fern.

Während israelische Sprecher sich zunächst noch bemühten, die Sache kleinzureden und wie Verteidigungsminister Ehud Barak damit keinerlei Strategiewechsel der Türkei verbunden sahen, machte Ankara gleichzeitig deutlich, dass doch mehr als eine kurzfristige Verstimmung dahinter stecken könnte. Nur einen Tag nach der Absage reiste der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu mit großem Gefolge nach Damaskus und baute anschließend demonstrativ mit seinem syrischen Kollegen Grenzschranken zwischen beiden Ländern ab. Künftig können Syrer visafrei in die Türkei reisen.

Doch es ging nicht nur ums Geschäft oder um Reiseerleichterungen. Beide Minister kündigten an, bis Jahresende Möglichkeiten militärischer Kooperation auszuloten, um dann Anfang 2010 gemeinsame Manöver zu veranstalten.

Während der israelische Außenminister sich noch beklagte, reiste der türkische Premier Erdogan am Donnerstag ungerührt nach Bagdad. Ziel ist es, ein Dreiecksbündnis Irak-Syrien-Türkei aufzubauen, um neue Akzente im Nahen Osten zu setzen. Die türkische Regierung bestreitet zwar, dass diese Politik auf Kosten ihrer bisherigen westlich orientierten Außenpolitik geht. Die Provokation des türkischen Staatsfernsehens gegenüber Israel ist aber sicher mit der Regierungsspitze abgestimmt. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2009)